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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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eine ausgebreitete Decke. Kujons Umhang würde mir ein gutes Stück zu lang sein; doch er war der beste, und deshalb nahm ich ihn mit. Einer der Männer hatte etwas Verbandsstoff und Heilsalbe bei sich gehabt. Beides fügte ich meiner Ausrüstung hinzu, außerdem einen leeren Wasserschlauch und Kujons Flasche mit Branntwein.
    Ich hätte bei den Toten nach Geld und Schmuck suchen können, mich mit einem Dutzend weiterer, unter Umständen nützlicher Gegenstände belasten, aber ich wollte nichts – nur, was zum Überleben nötig war.

Kapitel 13
Am Blauen See
     
    Der Blaue See ist der Endpunkt des Flusses Kalt. Blauer See ist auch der Name der größten Ortschaft an seinen Ufern. In den ersten Jahren von König Listenreichs Regierungszeit war die Gegend an der Nordostseite des Sees berühmt für ihre Kornfelder und Plantagen. Eine nur auf dem Boden dort wachsende Traube lieferte einen Wein mit unvergleichlichem Bukett. Wein dieser Kreszenz war nicht nur in den Sechs Provinzen begehrt, sondern wurde fuderweise bis nach Bingtown exportiert. Dann kamen die langen Dürrezeiten und nach ihnen die Wildfeuer. Die Bauern und Winzer der Region erholten sich nie von diesem Rückschlag. In der Folge verlegte Blauer See sich zunehmend auf den Handel. Das heutige Blauer See ist eine Kaufmannsstadt, ein Warenumschlagplatz, wo die Trecks aus Farrow und den Chalced-Staaten sich treffen, um Erzeugnisse aus dem Bergreich einzukaufen. Während des Sommers herrscht auf den ruhigen Wassern des Sees ein reger Verkehr von Booten und Kähnen aller Art, doch im Winter vertreiben die Stürme aus den Bergen die Schiffer und setzen dem Handel auf dem Wasser ein Ende.
     
    Am klaren Nachthimmel hing ein riesiger orangefarbener Mond. Ich ließ mir von den Sternen den Weg weisen, nicht ohne mit einem Gefühl des Staunens darüber nachzudenken, daß dies dieselben Sterne waren, die vor Jahren meinen Weg beschienen hatten, als ich mit Burrich von Jhaampe nach Bocksburg zurückgekehrt war. Nun geleiteten sie mich wieder in die Berge.
    Ich marschierte die ganze Nacht hindurch. Nicht besonders schnell und mit Ruhepausen, aber jedesmal, wenn die Mattigkeit mich zu übermannen drohte, trieb ich mich wieder an, denn nur am Wasser konnte ich meine Wunden versorgen und neue Kräfte sammeln. Beim Gehen befeuchtete ich einen Verbandstreifen mit Kujons Branntwein und betupfte mein Gesicht. Ich hatte im Spiegel einen kurzen Blick auf die Bescherung geworfen. Es war nicht zu übersehen, daß ich wieder einen Kampf verloren hatte. Das meiste waren Prellungen und kleinere Platzwunden, die ohne Narben zu hinterlassen heilen würden. Der Schnaps brannte auf den zahlreichen Abschürfungen, aber die Feuchtigkeit weichte einige der Schorfkrusten auf, und es schmerzte nicht mehr so sehr, den Mund zu öffnen. Ich hatte Hunger, fürchtete aber, das salzige Trockenfleisch würde meinen Durst noch verschlimmern.
    Nach endlosen Stunden sah ich die Sonne in großer Farbenpracht über der weiten Steppe Farrows aufgehen. Es wurde wärmer, und ich öffnete Kujons Umhang. In der zunehmenden Helligkeit suchte ich hoffnungsvoll den Boden ab. Vielleicht waren einige der Pferde zum Wasserloch zurückgelaufen, doch ich sah keine frischen Spuren, nur die vom Wind fast ausgetilgten Hufeindrücke von gestern.
    Der Tag war noch jung, als ich das Wasserloch erreichte. Ich näherte mich vorsichtig, aber meine Augen und meine Nase verrieten mir, es war verlassen. Deshalb durfte ich mich nicht in Sicherheit wiegen; früher oder später würde der nächste Treck hier haltmachen. Zuallererst löschte ich meinen Durst, dann war es fast ein Genuß, mein eigenes kleines Feuer zu entfachen, Wasser heiß zu machen und Linsen, Erbsen, Korn und getrocknetes Fleisch in den dampfenden Topf zu werfen, den ich anschließend zum Sieden auf einen Stein dicht am Feuer stellte. Derweil zog ich mich aus und nahm ein Bad am seichten Ende des Wasserlochs. Mein linkes Schulterblatt schmerzte noch immer bei jeder Berührung oder Bewegung, wie auch die aufgescheuerten Stellen an meinen Hand- und Fußgelenken, die Beule an meinem Hinterkopf, mein Gesicht insgesamt... Ich hörte auf damit, mir meine Beschwerden aufzuzählen. Sterben würde ich an keiner davon, und allein darauf kam es an.
    Die Sonne trocknete mich, während ich fröstelnd meine Kleider ausspülte und über ein Gebüsch hängte. Bis auch sie trockneten, saß ich in Kujons Umhang gehüllt am Feuer, trank seinen Branntwein und rührte in meiner Suppe.

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