Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Einmal mußte ich Wasser nachgießen, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Erbsen und Linsen weich wurden. Ich hatte Mühe, die Augen offenzuhalten. Immer wieder sank mir der Kopf auf die Brust; war ich betrunken oder erschöpft oder einfach unbeschreiblich müde? Dummheit, darüber nachzugrübeln, in etwa so sinnvoll, wie Buch über meine Wehwehchen zu führen. Irgendwann verlor ich die Geduld. Ich aß meine Suppe mit Genuß, auch wenn zumindest die Erbsen noch nicht allzu weich waren. Dazu und nachher trank ich Branntwein. Viel war nicht mehr übrig. Obwohl es mich den größten Teil meiner schwindenden Willenskraft kostete, säuberte ich den Topf und machte ein zweitesmal Wasser heiß. Ich wusch die schlimmsten meiner Verletzungen aus, bestrich sie mit Salbe und verband diejenigen, bei denen dies möglich war. Ein Knöchel sah übel aus. Ich durfte nicht riskieren, daß er sich entzündete.
    Als ich aufblickte, sah ich, daß es bereits dämmerte. Der Tag war wie im Flug vergangen. Ich raffte mich auf, löschte das Feuer und packte meine Habseligkeiten zusammen, um mir einen Schlafplatz zu suchen. Hier lief ich Gefahr, von anderen Reisenden entdeckt zu werden. Eine kleine Mulde, durch ein nach Teer riechendes Gestrüpp windgeschützt, erschien mir als Versteckplatz geeignet. Ich breitete die Decke aus, wickelte mich in Kujons Umhang und sank in einen tiefen Schlummer.
    Eine Zeitlang muß ich fest geschlafen haben. Ich geriet in einen jener verwirrenden Träume, in denen jemand meinen Namen rief, aber ich konnte nicht herausfinden wer. Es stürmte und war regnerisch. Ich haßte das Geräusch des Windes; es klang nach Einsamkeit. Dann ging die Tür auf, und Burrich stand im Rahmen. Er war betrunken. Ich empfand sowohl Erleichterung als auch Ärger. Seit gestern wartete ich darauf, daß er nach Hause kam, und nun war er gekommen, und er war betrunken. Wie konnte er es wagen, sich in diesem Zustand hier blicken zu lassen? Ein Zittern durchlief mich, brachte mich an den Rand des Erwachens. Dies waren Mollys Gedanken. Es war Molly, zu der mich mein Gabentraum geführt hatte. Es durfte nicht sein; es war gefährlich, aber in diesem unwirklichen Dämmerzustand fehlte mir die Kraft, mich dagegen zu wehren. Molly stand vorsichtig auf. Sie hielt unsere schlafende Tochter auf den Armen. Ich erhaschte einen Blick auf ein kleines Gesichtchen, rund und rosig, gar nicht wie das verschrumpelte Neugeborene wenige Tage zuvor. Sich in dieser kurzen Zeit so sehr verändert zu haben! Behutsam trug Molly sie zum Bett, legte sie hin und deckte sie mit einem Zipfel der Decke zu. Ohne sich umzudrehen, sagte sie mit leiser, harter Stimme: »Ich habe mir Sorgen gemacht. Du wolltest gestern schon zurück sein.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid. Ich hatte es vor, aber...«
    »Aber du bist im Dorf geblieben und hast dich betrunken.«
    »Ja – ja. Ich habe mich betrunken.« Burrich schloß die Tür und trat in den Raum. Sein Umhang war tropfnaß wie auch sein Haar, als hätte er sich nicht die Mühe gemacht, auf dem Heimweg die Kapuze über den Kopf zu ziehen. Er stellte seinen Habersack neben die Tür, nahm den nassen Umhang ab und sank schwerfällig auf einen Stuhl am Feuer. Offenbar machte das Wetter ihm zu schaffen, denn er beugte sich vor und rieb sein schlimmes Knie.
    »Ich will dich nicht hierhaben, wenn du getrunken hast«, erklärte Molly schroff.
    »Das weiß ich. Ich war gestern betrunken. Heute morgen hatte ich einen kleinen Schluck, aber ich bin nicht betrunken. Nicht mehr. Jetzt bin ich einfach nur – müde. Sehr müde.« Er stützte den Kopf in die Hände.
    »Sieh dich an.« Mollys Stimme klang schneidend. »Du kannst nicht einmal aufrecht sitzen, und ich soll dir glauben, daß du nüchtern bist!«
    Burrich schaute müde zu ihr auf. »Schon gut«, gab er nach. Der Burrich, den ich kannte, wäre in einem solchen Augenblick aufgebraust. »Ich werde gehen.« Mit einem Seufzen erhob er sich und verzog schmerzlich das Gesicht, als er humpelnd den ersten Schritt tat. Molly schlug das Gewissen. Er war bestimmt durchgefroren, und der Schuppen, in dem er nachts schlief, war feucht und zugig. Doch er hatte es sich selbst zuzuschreiben. Er wußte, wie Molly über Trinker dachte. Wenn ein Mann ein, zwei Becher trank, gut, auch sie gönnte sich ab und zu ein Glas, aber betrunken nach Hause kommen und ihr weismachen wollen...
    »Kann ich die Kleine für einen Augenblick sehen?« fragte Burrich leise. Er war an der Tür stehengeblieben.

Weitere Kostenlose Bücher