Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
das Bett.
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du gesagt, dein Beutel wäre so schmal wie meiner.« Ich schaute sie an. »Bist du plötzlich zu Reichtum gekommen?«
»Nicht gerade zu Reichtum, aber hier in Blauer See bin ich mit meiner Kunst ziemlich begehrt. Und es ist noch besser geworden, seit man die toten Soldaten gefunden hat.«
»Wie kommt das?« fragte ich kalt.
»Ich bin eine Vagantin«, erklärte sie. »Und ich war dabei, als der Bastard ergriffen wurde. Hältst du mich für so schlecht, daß mein Vortrag nicht ein oder zwei Münzen wert ist?«
»Aha, ich verstehe.« Ich überlegte. »Dann habe ich dir meine rotglühenden Augen und die Reißzähne zu verdanken?«
Sie schnalzte geringschätzig mit der Zunge. »Wie kannst du das von mir glauben? Irgendein billiger Straßensänger hat sich das ausgedacht.« Sie lächelte in sich hinein. »Doch ich bekenne mich auch einiger Ausschmückungen für schuldig. In meiner Version war Chivalrics Bastard ein Hüne und kämpfte wie ein wilder Stier, trotz der tiefen Wunden an seinem Arm, die König Edels Schwert ihm schlug. Und über dem linken Auge hatte er eine weiße Strähne im Haar, breit wie eines Mannes Hand. Drei Soldaten waren nötig, um ihn zu halten, und er hörte nicht auf, sich zu wehren, auch nicht, als der Hauptmann ihm mit einem Fausthieb drei Vorderzähne ausschlug.« Sie schwieg und wartete. Als ich nichts sagte, räusperte sie sich. »Du solltest mir danken. Immerhin habe ich dafür gesorgt, daß man dich auf der Straße nicht mehr so leicht erkennt.«
»Vielen Dank also. Was haben Creece und Tassin dazu gesagt?«
»Sie nickten die ganze Zeit. Durch meine Geschichte bekamen die ihren noch mehr Glanz.«
»Mag sein. Aber du hast mir immer noch nicht gesagt, Woher du wußtest, daß man mir eine Falle stellt.«
»Sie haben uns Geld angeboten. Für Hinweise, die ihnen helfen, dich zu finden. Creece erkundigte sich nach der Höhe der Summe. Man hatte uns für diese Befragung nach oben in des Königs eigenes Wohngemach gebracht – damit wir uns wichtiger vorkamen, nehme ich an. Es hieß, der König sei nach der langen Reise erschöpft und habe sich nebenan zur Ruhe begeben. Wir sahen einen Diener herauskommen, der des Königs Reitmantel und Stiefel trug.« Merle lächelte amüsiert. »Die Stiefel waren riesig.«
»Und du kennst die Stiefelgröße des Königs?« Ich wußte, daß sie mit ihrer Schlußfolgerung recht hatte. Edel hatte kleine Hände und Füße und hielt sich mehr darauf zugute als manche Dame bei Hofe.
»Ich hatte nie die Ehre, vor dem König aufzutreten, aber einige der Höhergeborenen in unserer Burg waren zu festlichen Anlässen an den Hof geladen worden. Sie wußten viel von dem schönen jungen Prinzen zu erzählen, von seinen feinen Manieren und seinen dunklen, glänzenden Locken. Und von seinen zierlichen Füßen und wie anmutig er damit zu tanzen verstand.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich wußte gleich, nicht König Edel befand sich in dem Gemach. Der Rest war leicht zu erraten. Die Sonne der königlichen Gnade ging zu bald nach deiner Gefangennahme und Flucht über uns auf. Man hatte es auf dich abgesehen.«
»Möglicherweise.« Allmählich empfand ich Hochachtung vor Merles Scharfsinn. »Erzähl mir mehr von den Schmugglern. Wie hast du von ihnen erfahren?«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Wenn du mit ihnen verhandelst, dann nur über mich. Und wo du hingehst, da werde auch ich hingehen.«
»Welche Schleichwege benutzen sie?«
Sie schaute mich an. »Wenn du ein Schmuggler wärst, würdest du anderen deine Geheimnisse auf die Nase binden?« Dann zuckte sie die Schultern. »Ich habe gehört, Schmuggler wüßten eine Möglichkeit, um über den Fluß zu kommen. Es soll eine Brücke geben. Meines Wissens gab es seinerzeit einen Handelsweg, der dem Lauf des Flusses folgte, um ihn irgendwo zu überqueren, doch seit den schlimmen Feuern vor ein paar Jahren führt der Kalt jedes Jahr Hochwasser und verändert sein Bett, deshalb verlassen die Kaufleute sich jetzt lieber auf Boote statt auf eine Brücke, die vielleicht noch steht oder vielleicht auch nicht.« Merle unterbrach sich und knabberte an ihrem Daumennagel. »Eine Brücke gab es also, aber nachdem sie vier Jahre hintereinander vom Schmelzwasser weggerissen wurde, hat niemand mehr Lust gehabt, sie wieder aufzubauen. Aus einer anderen Quelle weiß ich, daß es im Sommer eine Seilfähre gibt und daß man im Winter übers Eis gehen kann. Jedenfalls in den Jahren, wenn
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