Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
gesprochen«, erklärte er munter. »Nicht ihr schließe ich mich an, Fitz. Ich folge dir.« Seine Augen bekamen einen abwesenden Blick. »Seit ich ein Kind war, habe ich gewußt, daß wir eines Tages gemeinsam auf diese Reise gehen würden. Mir ist nie der Gedanke gekommen, ich könnte dich nicht begleiten. Von dem Tag an, als du hier aufgetaucht bist, habe ich meine Vorbereitungen für diesen Augenblick getroffen.«
»Ich ebenfalls«, sagte Krähe im selben Ton.
Wir beide drehten uns um und starrten sie an.
Als bemerkte sie es nicht, probierte sie den Handschuh an und begutachtete die Paßform.
»Nein!« Ich sagte es in endgültigem Ton. Mir genügte die Befürchtung, zusehen zu müssen, wie die Packtiere eins nach dem anderen verendeten. Auf keinen Fall wollte ich den Tod einer guten Freundin erleben. Krähe war schlicht und einfach zu alt für eine solche Reise. Daran gab es nichts zu rütteln.
»Eigentlich wollte ich dich bitten, während meiner Abwesenheit das Haus zu hüten«, meinte der Narr begütigend. »Der Vorrat an Feuerholz reicht bis zum Frühling, in der Speisekammer sind Grütze und...«
»Ich erwarte auf der Reise zu sterben, wenn dich das beruhigt.« Sie zog den Handschuh aus und legte ihn zu seinem Gegenstück, dann überprüfte sie die Menge Wolle, die noch übrig war, und begann mit flinken Fingern Luftmaschen aufzunehmen. »Und vorher braucht sich niemand meinetwegen Gedanken zu machen. Ich kann für mich selbst sorgen. Ich habe ein wenig Tauschhandel betrieben und bin mit allem versehen, was man auf so einer Reise braucht.« Sie schaute von ihren klappernden Nadeln zu mir auf und fügte mit ruhiger Stimme hinzu: »Mit allem, was ich brauche, um diese Reise bis zum Ende zu überstehen.«
Ich konnte nicht umhin, die gelassene Selbstverständlichkeit zu bewundern, mit der sie für sich das Recht in Anspruch nahm, selbst über ihr Leben zu entscheiden. Wann hatte ich eigentlich angefangen, sie als eine hilflose alte Frau zu betrachten, die man schonen und versorgen mußte? Sie richtete den Blick wieder auf ihr Strickzeug, obwohl es eigentlich nicht nötig war. Ihre Hände arbeiteten auch ohne Aufsicht hurtig und fehlerlos weiter. »Ich sehe, ihr versteht mich«, bemerkte sie abschließend. Und damit war die Sache entschieden.
Ich habe nie erlebt, daß der Aufbruch einer Expedition genau nach Plan vonstatten gegangen wäre. Es gilt die Faustregel, je größer sie ist, desto größer auch die Mißgeschicke. In der Morgendämmerung des Tages, an dem wir aufbrechen wollten, wurde ich grob wachgerüttelt.
»Steh auf, Fitz, es ist soweit«, sagte Kettricken drängend.
Trotzdem, und obwohl ich augenblicklich hellwach war, ließ ich mir Zeit mit dem Aufsetzen. Die frisch verheilte Wunde tat noch immer bei jeder hastigen Bewegung ihr Mißfallen kund. Der Narr hockte auf der Bettkante und sah völlig verwirrt aus.
»Was ist?« fragte ich.
»Edel!« Ich hatte nicht gewußt, daß ein einziges Wort soviel Gift enthalten konnte. Kettrickens Gesicht war leichenblaß, und sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Er hat einen Parlamentär zu meinem Vater gesandt und beschuldigt uns, einem bekannten Hochverräter aus den Sechs Provinzen Unterschlupf zu gewähren. Er sagt, wenn wir dich an ihn ausliefern, wird er das als Beweis unseres guten Willens ansehen und uns nicht als Feinde betrachten. Doch falls wir uns weigern, wird er den Truppen, die er an unseren Grenzen zusammengezogen hat, den Befehl zum Angriff geben, denn er weiß dann, daß wir mit seinen Gegnern gemeinsame Sache machen.« Sie schwieg einen Augenblick. »Mein Vater geht mit sich zu Rate, was er antworten soll.«
»Kettricken, ich bin nur ein Vorwand.« Mein Herz schlug wie ein Hammer gegen die Rippen. Nachtauge winselte aufgeregt. »Du weißt, daß er Monate gebraucht hat, diese Truppen zu sammeln und in Stellung zu bringen. Sie stehen nicht an der Grenze, weil ich hier bin, sondern weil er vorhat, dem Bergreich auf jeden Fall den Krieg zu erklären. Du kennst Edel. Er klopft auf den Busch, um herauszufinden, ob er euch so weit einschüchtern kann, daß ihr mich ihm übergebt.«
»Ich bin kein Dummkopf«, antwortete sie kühl. »Unsere Späher beobachten seit Wochen diese Truppenbewegungen. Wir haben getan, was möglich war, um uns auf einen Krieg vorzubereiten. Stets sind die Berge unsere beste Verteidigung gewesen, doch nie zuvor haben wir es mit einem wohlorganisierten Gegner in solcher Stärke zu tun gehabt. Mein Vater ist
Weitere Kostenlose Bücher