Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Opfer, Fitz. Er muß tun, was immer für das Bergreich das beste ist. Deshalb will erwogen sein, ob deine Auslieferung sich für ihn bei Verhandlungen mit Edel vorteilhaft auswirken könnte. Glaube nicht, mein Vater wäre einfältig genug, ihm zu vertrauen. Doch je länger er den Ausbruch der Feindseligkeiten hinauszögern kann, desto besser für uns.«
»Das hört sich an, als wäre die Entscheidung schon so gut wie gefallen«, meinte ich bitter.
»Mein Vater hätte mich von dem Ultimatum nicht in Kenntnis zu setzen brauchen«, antwortete Kettricken. »Er allein entscheidet.« Unsere Blicke trafen sich, und in ihren Augen entdeckte ich einen Abglanz unserer alten Freundschaft. »Ich glaube, es war seine Absicht, mir Gelegenheit zu geben, dich heimlich aus der Stadt zu bringen, bevor ich gezwungen bin, mich offen gegen ihn aufzulehnen, wenn er Befehl gibt, dich an Edel auszuliefern. Vielleicht will er Edel sagen, du wärst geflohen, doch er werde alles daransetzen, deiner habhaft zu werden.«
Hinter Kettricken war der Narr dabei, unter seinem Nachthemd in die Hosen zu steigen.
»Es wird schwieriger werden, als ich geplant hatte.« Kettricken runzelte die Stirn. »Ich darf keinen anderen aus meinem Volk in diese Sache mit hineinziehen. Wir sind auf uns allein gestellt, du, ich und Merle. Und wir müssen sofort aufbrechen, innerhalb der nächsten Stunde.«
»Ich werde fertig sein«, versprach ich.
»Wir treffen uns hinter Joss’ Holzschuppen.« Damit ging sie hinaus.
Ich schaute den Narren an. »Nun gut. Sagen wir Krähe Bescheid?«
»Weshalb fragst du mich?«
Ich zuckte die Schultern, dann stand ich auf und schlüpfte hastig in meine Kleider. Dabei fielen mir die tausend Kleinigkeiten ein, die eigentlich noch zu tun gewesen wären, aber daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Sehr bald waren der Narr und ich bereit, unser Bündel zu schultern. Nachtauge erhob sich, reckte sich ausgiebig und trottete vor uns zur Tür. Ich werde das Feuer vermissen. Dafür wird die Jagd draußen besser sein. Ich beneidete ihn um die Gelassenheit, mit der er dem Unerwarteten begegnete.
Der Narr ließ zum Abschied noch einmal den Blick durch sein Heim wandern; dann schloß er die Tür hinter uns. »Das war die erste Wohnung, die mir allein gehört hat«, sagte er, als wir den Weg zum vereinbarten Treffpunkt einschlugen.
»Du läßt viel zurück, um deiner Berufung willen«, entgegnete ich unbeholfen und dachte an sein Schnitzwerkzeug, seine halbfertigen Marionetten, sogar an die Pflanzen in den Kästen am Fenster. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich verantwortlich für seinen Verlust. Vielleicht, weil ich insgeheim so froh war, nicht allein die Reise ins Ungewisse antreten zu müssen.
Der Narr warf mir einen kurzen Blick zu und zuckte die Schultern. »Ich nehme mich mit. Das ist alles, was ich wirklich brauche oder besitze.« Er sah über die Schulter zu der Tür zurück, die er selbst gestrichen hatte. »Jofron wird gut darauf aufpassen. Und auch auf Krähe.«
Ich fragte mich, ob er vielleicht mehr zurückließ, als ich wußte.
Wir hatten den Holzschuppen fast erreicht, als ich eine Schar Kinder bemerkte, die uns auf dem Pfad entgegenkam. »Da ist er!« rief eine der Rangen und zeigte auf uns. Ich tauschte einen verdutzten Blick mit dem Narren; dann blieb ich stehen und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Wie verteidigte man sich gegen Kinder? Ratlos erwartete ich den Angriff. Der Wolf aber dachte nicht daran zu warten. Er ließ sich flach auf den Bauch sinken, selbst die Rute lag platt am Boden. Als die Kinder näher kamen, schoß er los, geradewegs auf den Anführer der Horde zu. »NEIN!« schrie ich entsetzt, aber niemand achtete auf mich. Der Wolf sprang dem Jungen mit den Vorderpfoten gegen die Brust und stieß ihn in den Schnee, setzte blitzschnell über ihn hinweg und hinter den anderen Kindern her, die kreischend auseinanderspritzten. Eins nach dem anderen holte er ein und walzte es nieder. Als das letzte in den Schnee geplumpst war, hatte der erste Junge sich wieder aufgerappelt, tollte jauchzend hinter ihm her und versuchte, seinen Schwanz zu packen, während Nachtauge mit heraushängender Zunge an ihm vorbeigaloppierte.
Das Spiel wiederholte sich noch zweimal, bis er in seiner wilden Jagd innehielt. Er schaute zu, wie die Kinder sich aus dem Schnee aufrafften. Dann schielte er zu mir, legte verlegen die Ohren an den Kopf und sah wieder zu den Kindern hin. Dabei bewegte sein Schwanz sich langsam hin
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