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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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es ihr gelingt, uns einzuholen, dann wird sie uns willkommen sein, das weißt du. Doch ich nehme an, sie wird merken, daß ihre Kräfte nicht ausreichen und aufgeben. Vielleicht ist sie bereits umgekehrt.«
    Oder vielleicht ist sie vor Erschöpfung zusammengebrochen und liegt hilflos irgendwo am Wegesrand, dachte ich. Trotzdem machte ich mich nicht auf die Suche nach ihr. Kettrickens Einstellung entsprang dem nüchternen Pragmatismus des Bergvolkes. Sie respektierte Krähes Entschluß, uns zu folgen, und respektierte auch ihr Recht, selbst die Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. In den Bergen gab es einen Brauch, der Separation hieß, und der bedeutete, das alte Menschen, die ihre Zeit kommen fühlten, sich in ein selbstgewähltes Exil zurückzogen, wo die Kälte möglicherweise allen Gebrechen des Alters ein Ende bereitete. Auch ich respektierte Krähes Recht, über ihr eigenes Leben zu bestimmen. Trotzdem bat ich Nachtauge, auf dem Pfad zurückzulaufen, um zu sehen, ob sie in Not war. Ich redete mir ein, es wäre reine Neugier. Er war gerade mit einem blutigen weißen Hasen im Maul ins Lager gekommen. Bei meiner Bitte erhob er sich mit dem Gehabe des leidgeprüften Dulders von seinem kaum begonnenen Mahl, streckte sich und meinte: Achte auf mein Fleisch. Dann verschwand er in der hereinbrechenden Dunkelheit.
    Das Abendessen, bestehend aus Haferbrei und Fladen, war eben fertig, als Krähe ins Lager kam, Nachtauge auf den Fersen. Sie trat ans Feuer, streckte die Hände über die Flammen und maß uns der Reihe nach mit bitterbösem Blick. Der Narr und ich schauten uns schuldbewußt an. Als Geste der Versöhnung bot ich ihr einen Becher Tee an, den ich mir gerade eingeschüttet hatte. Sie nahm ihn und trank ihn leer, bevor sie anklagend sagte: »Ihr seid ohne mich aufgebrochen.«
    »Ja«, gab ich zu. »Du hast recht. Kettricken kam zu uns und sagte, wir dürften keine Zeit verlieren. Deshalb sind der Narr und ich...«
    »Aber ich bin trotzdem hier«, schnitt sie mir triumphierend das Wort ab. »Und ich habe vor, mit euch weiterzugehen.«
    »Wir sind auf der Flucht«, erklärte Kettricken ruhig. »Wir können keine Rücksicht auf dich nehmen.«
    Krähes Augen sprühten Feuer. »Habe ich etwa darum gebeten?« schnappte sie zurück.
    Kettricken zuckte die Schultern. »Ich wollte es nur gesagt haben, damit du Bescheid weißt.«
    »Nun hast du es gesagt, und ich weiß Bescheid.« Mehr wurde nicht darüber gesprochen.
    Ich hatte fast mit Bewunderung diesem Wortwechsel zugehört, und anschließend empfand ich einen deutlich größeren Respekt vor beiden Frauen. Allmählich glaubte ich zu begreifen, wie Kettricken sich sah. Sie war die Königin der Sechs Provinzen, und sie hegte nicht den geringsten Zweifel daran. Doch anders, als man vielleicht erwarten konnte, hatte sie sich nicht hinter einem Titel verkrochen oder Anstoß an Krähes scharfer Entgegnung genommen. Sie hatte ihr geantwortet, von Frau zu Frau, mit Respekt, aber auch mit Autorität. Wieder einmal hatte ich erlebt, aus welchem Holz sie geschnitzt war, und fand nichts daran zu tadeln.
    Wir schliefen alle zusammen in der Jurte. Kettricken füllte ein kleines Becken mit Glut, und es wurde fast gemütlich in unserer Unterkunft. Sie teilte die Wachen ein und nahm auch sich und Krähe nicht aus. Die anderen schliefen gut, nur ich lag noch eine Zeitlang wach. Ich war wieder auf dem Weg zu Veritas, und das bedeutete ein gewisses Maß an Befreiung von dem unaufhörlichen Drängen in meinem Kopf. Doch am Ende dieses Wegs floß auch der Strom, wo mein König seine Hände in der reinen Gabe gebadet hatte. Der Gedanke ließ mir keine Ruhe, und in dieser Nacht waren meine Träume erfüllt von dem Bild und der Stimme der schwarzen, magischen Wasser.
    Sehr früh am Morgen brachen wir das Lager ab und waren wieder unterwegs. Auf Kettrickens Anweisung hin ließen wir eine zweite, kleinere Jurte zurück, die mitgenommen worden war, weil unser Trupp ursprünglich aus sechs Personen bestehen sollte. Sorgfältig an dem Lagerplatz verstaut, konnte sie vielleicht einem anderen Reisenden von Nutzen sein. Dem ledigen Tier wurde der größte Teil dessen aufgeladen, was bisher die Menschen geschleppt hatten. Ich wußte es zu schätzen, denn das Pochen in meinem Rücken war mittlerweile mein ständiger Begleiter geworden.
    Vier Tage lang trieb Kettricken uns unbarmherzig vorwärts. Sie sagte nicht, ob sie wirklich eine Verfolgung befürchtete, und ich fragte sie nicht danach. Es bot

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