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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Endlich stellte ich meinen Teebecher hin und fragte herausfordernd: »Nun?«
    Erst machte keiner den Mund auf, dann sagte Kettricken bestimmt: »Fitz, du bist heute von der Wache befreit. Ich möchte, daß du in der Jurte bleibst und schläfst.«
    »Mir geht es gut. Ich kann eine Wache übernehmen«, protestierte ich, doch meine Königin schnitt mir das Wort ab: »Ich wünsche, daß du heute nacht in der Jurte bleibst.«
    Ich biß mir auf die Zunge, damit mir kein unbedachtes Wort entschlüpfte, und neigte ergeben den Kopf. »Wie Ihr befehlt. Ich bin vielleicht übermüdet.«
    »Nein. Es ist mehr als das, Fitz. Du hast heute abend kaum etwas gegessen, und wenn nicht einer von uns dich anspricht, starrst du nur stumm in die Ferne. Was beschäftigt dich?«
    Ich bemühte mich um eine ehrliche Antwort. »Ich weiß es nicht. Nicht ganz genau. Es ist schwierig zu erklären.« Das Knistern des Feuers war das einzige Geräusch. Alle warteten schweigend darauf, daß ich weiterredete. Ich spürte ihre Blicke wie eine körperliche Berührung. »Wenn man in der Gabe ausgebildet ist«, fuhr ich langsam fort, »wird einem bewußt, daß ihr eine Gefahr innewohnt. Sie fesselt die Aufmerksamkeit des Kundigen. Wenn man von der Gabe Gebrauch macht, um etwas zu bewirken, muß man alle Gedanken auf das Vorhaben richten und darf sich keinesfalls von der Versuchung der Gabe ablenken lassen. Wenn der Kundige diese ausschließliche Konzentration verliert, wenn er sich von der Gabe selbst verführen läßt, kann er sich darin verlieren. Er wird von ihr aufgesogen.« Ich löste den Blick von den Flammen und schaute in die Gesichter meiner Zuhörer. Sie waren ausdruckslos; nur Krähe nickte leicht.
    »Heute, seit wir auf die Straße gestoßen sind, habe ich etwas gespürt, das sich beinahe so anfühlt wie die Aura der Gabe. Doch ich habe nicht hinausgedacht, im Gegenteil: Seit Tagen habe ich mich so weit wie möglich wider die Gabe abgeschirmt, weil ich fürchtete, Edels Kordiale könnte in mein Bewußtsein eindringen und mir etwas antun. Trotzdem war mir, als würde die Gabe mich locken. Wie Musik aus ganz weiter Ferne oder wie eine kaum wahrnehmbare Witterung. Ich ertappe mich dabei, wie ich alle Sinne anspanne, um herauszufinden, wer oder was mich ruft...«
    Mein Blick flog zu Krähe. Ich sah den unterdrückten Hunger in ihren Augen. »Liegt es daran, daß die Straße mittels der Gabe geschaffen wurde?«
    Ein Schatten flog über ihr Gesicht, und sie schaute auf ihre von Altersflecken übersäten Hände. Endlich stieß sie einen langen Seufzer aus. »Vielleicht. In alten Geschichten, die man sich erzählt, heißt es, wenn ein Ding mittels der Gabe geschaffen ist, kann es für manche Menschen gefährlich sein. Nicht für gewöhnliche Menschen, aber für solche, die das Potential der Gabe besitzen, doch nicht darin ausgebildet sind. Oder nicht gründlich genug ausgebildet, um zu wissen, wie man sich schützt.«
    »Seltsam, ich wußte nicht, daß es solche Geschichten gibt.« Ich wandte mich an Merle und den Narren. »Wie steht es mit euch?«
    Beide schüttelten den Kopf.
    »Mir scheint«, sagte ich bedeutungsvoll zu Krähe, »daß jemand, der so belesen ist wie der Narr, irgendwo auf eine solche Geschichte gestoßen sein müßte. Und eine ausgebildete Vagantin müßte ebenfalls davon gehört haben.« Ich hielt sie mit meinem Blick gefesselt.
    Krähe verschränkte die Arme vor der Brust. »Bin ich verantwortlich dafür, was sie nicht gelesen oder gehört haben? Ich gebe nur wieder, was man mir erzählt hat, vor langer Zeit.«
    »Vor wie langer Zeit?« Kettricken mir gegenüber runzelte die Stirn, ließ mich jedoch gewähren.
    »Vor sehr langer Zeit«, erwiderte Krähe frostig. »Als die Jugend dem Alter noch Respekt zollte.«
    Ein entzücktes Grinsen erhellte das Gesicht des Narren. Krähe schien zu glauben, daß sie eine Art Sieg errungen hatte, denn sie stellte energisch ihren Teebecher in die leere Eßschale und reichte mir beides. »Du bist an der Reihe mit dem Geschirr«, sagte sie lakonisch, stand auf, ging mit festen Schritten zum Zelt und verschwand darin.
    Als ich langsam das Geschirr einsammelte, um es abseits des Lagers mit sauberem Schnee auszureiben, blieb Kettricken neben mir stehen. »Was hast du für einen Verdacht?« fragte sie mich in ihrer unumwundenen Art. »Glaubst du, sie ist eine Spionin, ein Feind in unserer Mitte?«
    »Nein. Nein, ich glaube nicht, daß sie unser Feind ist. Aber ich glaube, sie ist etwas mehr als nur

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