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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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glaube, ich blieb in Abständen immer wieder stehen, denn verschwommen kann ich mich erinnern, daß Krähe mich am Arm zog und mich aufforderte, endlich weiterzugehen. Selbst als wir einen Vorsprung umrundeten und die erleuchtete Jurte vor uns sahen, vermochte ich mich nicht zu größerer Eile anzutreiben. Wie in Fieberphantasien rückte die Jurte bis zum Greifen nahe an mich heran und dann wieder in unerreichbare Ferne. Ich stapfte weiter. Unsichtbare Scharen umwisperten mich. Die Nacht legte sich über meine Augen, und ich mußte gegen den schneidenden Wind anblinzeln. Ein lebhaftes Gewimmel umwogte uns, Packesel, lachende Mädchen mit Körben buntgefärbter Wolle. Ich drehte mich nach einem Schellenhändler um. Er trug ein hohes Gestell auf den Schultern, und Dutzende Messingglocken aller Größen und Klangfärbungen bimmelten, klingelten und läuteten bei jedem Schritt. Ich zupfte Krähe am Arm, sie solle doch stehenbleiben und sich das ansehen, aber sie umfaßte nur meine Hand mit eisernem Griff und hastete weiter. Ein Junge kam uns entgegen, mit einer Schwinge voll farbenfroher Gebirgsblumen auf dem Weg ins Dorf hinunter. Ihr Duft war berauschend. Ich riß mich von Krähe los und lief ihm nach, um welche zu kaufen, für Molly und ihre Kerzen.
    »Helft mir!« rief Krähe. Ich schaute mich nach ihr um, aber sie war nicht bei mir, und auch in der Menge war nichts von ihr zu sehen. Als ich den Blick wieder nach vorn richtete, sah ich, daß der Blumenjunge sich immer weiter entfernte. »Warte!« Ich vergaß Krähe und eilte hinterher.
    »Er läuft weg!« Ihre Stimme klang verzweifelt.
    Nachtauge sprang mich plötzlich von hinten an und warf mich vornüber in den Schnee, der als dünne Schicht die Straße bedeckte. Trotz der Fäustlinge schürfte ich mir die Handflächen auf, und ein Schmerz wie Feuer durchzuckte mein linkes Knie. »Tölpel!« knurrte ich ihn an und wollte aufstehen, doch er packte meinen Knöchel und warf mich erneut zu Boden. Diesmal fiel ich so, daß ich am Rand der Straße kniete und in die Tiefe blickte. Der Schreck und der Schmerz hatten in der Nacht Ruhe einkehren lassen, das Blendwerk war zerstoben, und ich mit dem Wolf allein.
    »Nachtauge!« beschwerte ich mich. »Laß mich aufstehen!«
    Doch er nahm mein Handgelenk zwischen die Zähne, stemmte die Vorderpfoten ein und zerrte mich weg von dem Abgrund. Ich hatte nicht geahnt, daß er so stark war, oder vielmehr, ich hatte nie vermutet, ich könnte diese Stärke eines Tages zu spüren bekommen. Mit der freien Hand schlug ich nach ihm, fluchte und bemühte mich, auf die Füße zu kommen. Wo ein Zahn durch Stoff und Haut gedrungen war, fühlte ich Blut an meinem Arm entlangrinnen.
    Wie aus dem Nichts erschienen Kettricken und der Narr links und rechts neben mir, umfaßten meine Oberarme und stellten mich auf.
    »Er ist toll geworden!« keuchte ich, als Merle angelaufen kam.
    »O Wolf«, rief sie und ließ sich auf die Knie fallen, um ihn in die Arme zu schließen. Nachtauge hielt still und ließ sich ihre Umarmung offenbar gern gefallen.
    »Was ist in dich gefahren?« stellte ich ihn zur Rede. Er schaute zu mir auf, machte jedoch keine Anstalten, sich zu rechtfertigen.
    Meine erste Reaktion war dumm – ich hob die Hände an die Ohren. Doch sie waren nie das Tor zwischen Nachtauge und mir gewesen. Er winselte, und das hörte ich deutlich. Es war nichts weiter als das Winseln eines Hundes. »Nachtauge!« rief ich. Er stellte sich auf die Hinterbeine und stemmte die Vorderpfoten gegen meine Brust. Fast konnte er mir in die Augen sehen. Ich empfing einen Widerhall seiner Angst und Besorgnis, aber mehr nicht. Ich spürte mit der Alten Macht zu ihm hin, konnte ihn aber nicht finden. Keinen von ihnen konnte ich spüren. Als wären sie alle entfremdet worden.
    Ich schaute in ihre aufgeregten Gesichter und bemerkte, daß sie auf mich einredeten, mit erhobenen, schrillen Stimmen, etwas über den Rand der Straße und die schwarze Säule und was war los, was war los? Zum ersten Mal fiel mir auf, wie plump Sprache war. All diese einzelnen Worte, zu Ketten aneinandergehängt, von jeder Stimme anders hervorgebracht, und so kommunizierten wir Menschen miteinander. »Fitz, Fitz, Fitz!«, riefen sie meinen Namen, sie meinten mich, nehme ich an, aber so viele Münder – so viele verschiedene Bilder von mir, von Fitz, und Gründe, weshalb sie mit ihm sprechen wollten. Die Worte waren so ungeschlachte Vehikel. Ich konnte nicht begreifen, was sie mir vermitteln

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