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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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beschnüffeln.
    Trotz der milden Temperaturen begann ich allmählich zu frieren, und außerdem war ich müde. Ich schaute zum Himmel. Nicht mehr lange bis zum Morgen. Bei Tageslicht konnte ich vielleicht auf das Dach eines der Gebäude steigen und mir einen Überblick über die Gegend verschaffen. Vielleicht wußte ich beim Aufwachen wieder, wie ich hierhergelangt war. In aller Einfalt hielt ich nach einem vorragenden Sims oder einem Schuppen Ausschau, wo ich unterschlüpfen konnte, bis mir einfiel, daß nichts mich daran hinderte, eins der Häuser zu betreten. Trotzdem beschlich mich ein seltsames Gefühl, als ich mir eine Tür aussuchte und hindurchging. Solange ich eine Wand berührte, sah ich schattenhaft die Einrichtung des Raums. Auf Tischen und Regalen standen Glaswaren und feines Porzellan. Eine Katze schlief vor dem eingedämmten Herdfeuer. Wenn ich die Hand wegnahm, war es kalt und stockdunkel. Also strich ich mit den Fingern an der Wand entlang und wäre beinahe über die vermoderten Trümmer eines der Tische gestolpert. Ich bückte mich, tastete nach den Bruchstücken, sammelte sie auf und trug sie zum Kamin. Mit großer Mühe brachte ich schließlich ein Feuer in Gang, wo der Geisterherd gloste.
    Als die Flammen ordentlich hochschlugen und ich davorstand, um mich zu wärmen, zeigte mir der flackernde Schein die trostlose Wirklichkeit des Zimmers. Nackte Wände, ein von Schutt übersäter Fußboden. Keine Spur von Porzellan und Kristall, allerdings noch einige Bretter von längst zusammengestürzten Regalen. Zu meinem Glück hatte der Ladenbesitzer seine Einrichtung aus gutem Eichenholz zimmern lassen, andernfalls wären sie längst verrottet gewesen. Ich beschloß, meinen Mantel auf dem Boden auszubreiten, um die Kälte der Steinplatten abzuhalten, und darauf zu vertrauen, daß das Feuer mich ausreichend wärmte. Müde legte ich mich hin, schloß die Augen und verdrängte die Vorstellung von Phantomkatzen und den wahrscheinlich im Stockwerk über mir in ihren Betten schlummernden Hausbewohnern.
    Vor dem Einschlafen versuchte ich, die Wälle um mein Bewußtsein zu errichten, doch es war, als wollte man, in einem Fluß stehend, sich die Füße abtrocknen. Je näher der Schlaf kam, desto schwerer wurde es, sich zu erinnern, wo die Grenzen lagen. Wo hörte ich auf, und wo begannen die anderen, die mir teuer waren? Erst träumte ich von Kettricken, Merle, Krähe und dem Narren, die mit Fackeln die Umgebung des Lagers absuchten, während Nachtauge winselnd hin und her lief. Es war kein angenehmer Traum. Ich wandte mich davon ab und glitt tiefer in mich selbst hinein. Dachte ich.
    Ich fand die vertraute Hütte. Ich erkannte den schlichten Raum, den rohen Tisch, den Kamin mit dem sparsam brennenden Feuer, das sorgfältig gemachte schmale Bett. Molly saß in ihrem Nachtkleid am Feuer, wiegte Nessel auf den Armen und sang leise ein Lied von den Sternen, die am Himmel gehen. Ich konnte mich an keine Wiegenlieder erinnern und war ebenso bezaubert davon wie Nessel. Die großen Augen des Kindes hingen am Gesicht der Mutter, und die winzige Faust hielt ihren Zeigefinger umklammert. Molly sang das Lied wieder und wieder und wieder, doch ich fühlte keine Langeweile. Es war ein Bild, das ich einen Monat lang betrachten konnte, ein ganzes Jahr, ohne dessen überdrüssig zu werden. Aber die Lider der Kleinen sanken herab, hoben sich wieder, fielen zu und blieben schließlich geschlossen. Das gespitzte Mündchen bewegte sich, als nuckelte sie im Schlaf. Ihr schwarzes Haar ringelte sich. Molly senkte den Kopf und strich mit den Lippen über Nessels Stirn; dann erhob sie sich müde und trug die Kleine zu ihrem Bett. Sie schlug die Decke zurück, legte das Kind hinein und ging noch einmal zum Tisch, um die Kerze auszublasen. Im Schein des Herdfeuers sah ich zu, wie Molly sich vorsichtig hinlegte und dann die Decke über das Kind und sich breitete. Sie schloß die Augen, seufzte einmal tief und rührte sich nicht mehr. Ich beobachtete ihren bleiernen Schlaf, einen Schlaf der Erschöpfung, und heiße Scham erfüllte mich. Dieses harte, freudlose Leben hatte ich mir nicht für sie gewünscht, geschweige denn für unser Töchterchen. Und ohne Burrich wäre es noch schwerer für sie gewesen. Ich ergriff die Flucht vor der traurigen Szene und den Schuldgefühlen und versprach mir selbst: Alles wird besser werden. Ich werde für sie sorgen, irgendwie... falls ich zurückkehre.
     
    »Ich rechnete damit, daß bei meiner Rückkehr die

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