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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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es riechen, sagte Nachtauge. Das war vermutlich der, mit dem ich unter der Tür zusammengestoßen war. Meine Klinge mußte eine lebenswichtige Stelle getroffen haben, er war nicht weit gekommen. Trotzdem schlich ich mich so vorsichtig an ihn heran, als wäre er ein verwundeter Bär, doch schon aus einiger Entfernung wehte mir süßlicher Verwesungsgeruch entgegen. Der Tote lag mit dem Gesicht im Gras. Ich verzichtete darauf, ihn herumzudrehen. Statt dessen schlug ich einen großen Bogen und schaute durch das Fenster ins Innere der Hütte.
    Es ist niemand mehr da, erinnerte Nachtauge mich ungeduldig.
    Bist du sicher?
    Wie ich mir sicher bin, die Nase eines Wolfs und nicht einen unnützen Klumpen Fleisch zwischen den Augen zu haben. Mein Bruder...
    Er ließ den Gedanken unvollendet, aber ich konnte seine Sorge um mich fühlen. Auch ich verstand mich fast selbst nicht mehr. Ein Teil von mir wußte, es gab keinen vernünftigen Grund, Angst zu haben, daß die Entfremdeten sich genommen hatten, was sie wollten, und weitergezogen waren. Ein anderer Teil konnte das Gewicht des Mannes auf mir nicht vergessen und den Tritt, der mich gestreift hatte. Genauso war ich auf dem Steinboden eines Kerkers festgehalten und dann mit Stiefeln und Fäusten traktiert worden, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Ich fragte mich, ob diese Erinnerung mich wie ein Alp mein Leben lang begleiten würde.
    Zu guter Letzt tat ich den Schritt über die Schwelle. Ich überwand mich sogar, Licht zu machen, nachdem ich beim Herumtasten den Feuerstein gefunden hatte. Mit zitternden Händen suchte ich zusammen, was die Entfremdeten mir gelassen hatten und wickelte alles in meinen Umhang. Die offene Tür war eine bedrohliche schwarze Öffnung, durch die sich jederzeit etwas an mich heranschleichen konnte. Doch wenn ich sie schließen würde, hätte ich das Gefühl, gefangen zu sein. Nicht einmal, daß Nachtauge auf der Schwelle saß und Wache hielt, vermochte mich zu beruhigen.
    Sie hatten nur mitgenommen, was für sie von unmittelbarem Nutzen war. Entfremdete dachten nicht über den Augenblick hinaus. Alles Trockenfleisch war entweder aufgegessen oder in den Schmutz geworfen worden; ich wollte nichts davon haben. Sie hatten meinen Federkasten aufgebrochen, aber das Interesse daran verloren, als sie nichts Eßbares darin fanden. Von dem kleineren Kasten mit meinen Kräutern und Giften hatten sie vermutlich angenommen, daß er die Tintenfäßchen eines Schreibers enthielt, und ihn nicht weiter beachtet. Von meinen Kleidern fehlte nur das eine Hemd, und ich war nicht erpicht darauf, es mir zurückzuholen. Es war ohnehin voller Blut und hatte einen Riß von meiner Messerklinge. Ich nahm mein Bündel und ging über die Wiese und den Hang hinauf bis zur höchsten Stelle, von wo ich ungehinderten Ausblick nach allen Seiten hatte. Dort setzte ich mich und packte mit zitternden Händen alles, was mir geblieben war, in meinen Winterumhang, den ich mit Lederriemen zu einem Paket verschnürte, das ich über die Schulter hängen konnte. Sobald es hell wurde, wollte ich mir ein besseres Tragegeschirr zurechtbasteln.
    »Bereit?« fragte ich Nachtauge.
    Jagen wir?
    Nein. Wir brechen zu unserer Reise auf. Ich zögerte. Bist du hungrig?
    Nicht sehr. Hast du es so eilig, diesen Ort zu verlassen?
    Darüber brauchte ich nicht nachzudenken. Ja.
    Dann mach dir keine Gedanken. Wir können wandern und jagen.
    Ich nickte, dann schaute ich zum Nachthimmel, um den Pflüger zu suchen und mich an ihm zu orientieren. »Da entlang«, sagte ich und deutete über den Hügelkamm hinweg. Der Wolf erhob sich ohne Zaudern und trabte zielstrebig in die gewiesene Richtung. Ich schulterte mein Bündel und machte mich ebenfalls auf den Weg; dabei lauerte ich mit angespannten Sinnen auf jedes Geräusch in der Dunkelheit oder einen anderen Hinweis darauf, daß uns jemand folgte. Nichts, außer dem Rascheln von aufgescheuchtem Kleingetier und dem Flüstern des Nachtwinds in den Baumkronen; das einzige, das sich mir unerbittlich an die Fersen heftete, war meine Angst.
    Das Wandern bei Nacht wurde zur Regel. Ich hatte beabsichtigt, tags zu marschieren und nachts zu schlafen, aber nach dieser ersten Etappe, auf der ich hinter Nachtauge hertrottete, auf Wildwechseln, die ungefähr in die gewünschte Richtung führten, änderte ich meine Meinung. Ich hätte ohnehin nicht im Dunkeln schlafen können. Anfangs hatte ich sogar Schwierigkeiten, tagsüber Schlaf zu finden. Wir suchten uns einen

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