Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Entfremdungen und Edels Intrigen, sogar mein Plan, Edel zu töten, waren auf einmal häßliche Menschendinge, die ich dem Wolf aufgezwungen hatte. War es etwa richtig, daß solche Scheußlichkeiten sein Leben beherrschten? Er war dort, wo er hingehörte.
Auch wenn es mir nicht gefiel, die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, war ausschließlich meine Angelegenheit.
Ich versuchte, Nachtauge loszulassen. Dennoch, der trotzige Funke Hoffnung blieb. Er hatte gesagt, er würde zu mir zurückkommen, doch wenn er es tat, dann nur aus freien Stücken. Ich würde ihn nicht rufen. Als ich den Weg wieder unter die Füße nahm, sagte ich mir, sollte Nachtauge seines Abenteuers überdrüssig werden, konnte er mich leicht einholen. Der unermüdliche Wolfstrab vermag die Meilen aufzufressen wie nichts anderes; außerdem kam ich ohne ihn nicht sonderlich schnell voran. Seine Nachtsicht fehlte mir. Ich erreichte eine Stelle, wo die Uferböschung sich senkte und der Boden morastig wurde. Sollte ich auf gut Glück weitermarschieren oder das Sumpfgebiet umgehen, das sich, soviel ich wußte, meilenweit erstrecken konnte? Endlich beschloß ich, so dicht am Fluß zu bleiben wie möglich und wurde mit einer elenden Nacht bestraft. Ich arbeitete mich durch ein nicht enden wollendes Dickicht aus Schilf, Rohrkolben und Sumpfbinsen, stolperte über das verschlungene Wurzelwerk, holte mir nasse Füße und wurde von hungrigen Mückenschwärmen verfolgt.
Was für ein Dummkopf, fragte ich mich selbst, kam auf die glanzvolle Idee, im Dunkeln ein unbekanntes Sumpfgebiet zu durchqueren? Geschah mir recht, wenn ich in ein Schlammloch geriet und versank. Über mir nur Himmel, Mond und Sterne, um mich herum eine Wand aus Röhricht, zu meiner Rechten sah ich ab und zu den Fluß glänzen. Verbissen stapfte ich weiter, und auch als es hell wurde, machte ich nicht halt. Kleine, einblättrige Pflanzen mit Schwimmwurzeln klebten an meiner Hose und den Schuhen, und ich war am ganzen Körper zerstochen und von den scharfhalmigen Gräsern zerschnitten. Weil sich kein einladender Platz zum Rasten fand, aß ich im Gehen von meinem Vorrat an Dörrfleisch. Entschlossen, diesem Ort wenigstens etwas Gutes abzugewinnen, sammelte ich Wurzelstöcke von Binsen. Mittag war bereits vorbei, als das Flußufer allmählich wieder anstieg und der Boden fester wurde. Trotzdem zwang ich mich, noch ungefähr eine Stunde weiterzugehen, bis ich auch die Stechmücken und Schnaken hinter mir gelassen hatte. Bevor ich mich endlich zum Schlafen ausstreckte, spülte ich mir den grünlichen Schlamm und Modder von Hosen, Schuhen und Haut.
Irgendwo verhielt Nachtauge sich sehr still, während das magere Weibchen sich ihm steifbeinig näherte. Er ließ sich auf den Bauch sinken, rollte zur Seite, dann mit angezogenen Pfoten auf den Rücken und zeigte seine ungeschützte Kehle. Sie blieb stehen, setzte sich hin und betrachtete ihn. Er winselte leise. Sie legte die Ohren zurück, fletschte die Zähne, warf sich herum und galoppierte davon. Nach einer Weile stand Nachtauge auf und ging weg, um Feldmäuse zu jagen. Er schien mit der Entwicklung der Dinge zufrieden zu sein.
Wie schon gewohnt, wurde ich nach Bearns gerufen, als ich mich von ihm entfernte. Ein weiteres Dorf brannte.
Beim Erwachen fühlte ich mich niedergeschlagen und mutlos. Statt meinen Weg fortzusetzen, machte ich aus Treibholz ein kleines Feuer, setzte Wasser auf und kochte mir eine Art Eintopf aus den gesammelten Wurzeln, gewürfeltem Trockenfleisch und etwas wildem Grünzeug, gewürzt mit einer Prise von meinem kostbaren Salzvorrat. Leider war der Kalkgeschmack des Wassers vorherrschend. Von dem warmen Essen satt und müde, schüttelte ich meinen Winterumhang aus, wickelte mich zum Schutz vor nächtlichen Blutsaugern hinein und schlief.
Nachtauge und der Leitwolf standen sich in großem Abstand gegenüber. Es war ein Abschätzen, keine Herausforderung. Trotzdem hielt Nachtauge die Rute gesenkt. Der Leitwolf war hagerer als Nachtauge, sein Fell schwarz. Er trug Narben von Kampf und Jagd, und seine Haltung verriet Selbstvertrauen. Nachtauge bewegte sich nicht. Nach einer Weile entfernte sich der große Rüde, hob an einem Grasbüschel das Bein und richtete seinen Strahl dagegen. Er scharrte mit den Vorderpfoten die Erde auf; dann schritt er davon, ohne sich noch einmal umzuschauen. Nachtauge setzte sich hin und dachte nach.
Am Morgen stand ich auf und nahm die nächste Etappe in Angriff. Vor zwei Tagen hatte Nachtauge mich
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