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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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war ebenso sicher wie jede andere. Jemand mußte schon über mich stolpern, bevor er mich entdeckte.
    Ich fühlte mich sehr einsam.
    Mein Schlaf war unruhig. Ein Teil von mir saß irgendwo und beobachtete andere Wölfe, noch immer aus der Entfernung. Auch wenn sie unbeteiligt taten, waren sie sich meiner Anwesenheit sehr genau bewußt. Vorläufig warteten sie ab. Weil ich Abstand wahrte, fühlten sie sich nicht gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Ich hatte zugesehen, wie sie einen Bock rissen, eine Art, die ich nicht kannte. Er schien mir für so viele eine kleine Beute zu sein. Ich war hungrig, aber nicht so hungrig, daß ich unbedingt jagen mußte. Diese Wölfe waren mir wichtiger als Fleisch. Ich wartete geduldig und schaute zu, wie sie schliefen.
    Meine Träume entfernten sich von Nachtauge, wie Motten angezogen von einem anderen Licht. Etwas rief mich, zerrte an mir mit schrecklicher Dringlichkeit. Ich leistete dem Ruf Folge, widerstrebend, aber unfähig, mich zu weigern. Ich fand mich wieder an einem anderen Tag, einem anderen Ort, und wie erwartet, wie befürchtet, stiegen Qualm und Schreie in einen blauen Himmel über Strand und Meer. Ein weiteres Dorf in Bearns wurde nach vergeblicher Gegenwehr den Korsaren zur Beute. Wieder einmal war ich zum Zeugen berufen. In dieser Nacht und in fast jeder der darauffolgenden Nächte wurde mir auf diese Art der Krieg gegen die Roten Schiffe wieder zu Bewußtsein gebracht.
    Jede furchtbare Einzelheit hat sich mir unauslöschlich eingeprägt. Das Grauen, das Leiden, das Sterben, ich war dabei, durchlebte alles. Etwas in mir lauschte, und sobald ich schlief, führte es mich gnadenlos dorthin, wo meine Landsleute um Heim und Herd kämpften und starben. Ich sah mehr von dem Fall von Bearns als jemand, der in dieser Provinz lebte. Es gab für mich kein Entrinnen, und ich durchschaute nicht einmal das Wie und Warum. Möglicherweise schlummerte die Veranlagung für die Gabe in sehr vielen Bewohnern der Sechs Provinzen, und angesichts von Tod und Verderben schrien sie zu Veritas und mir mit Stimmen, von denen sie nicht ahnten, daß sie sie besaßen. Mehr als einmal spürte ich die Gegenwart meines Königs, wie er durch die Gassen der von gespenstischem Grauen heimgesuchten Orte schritt, doch sah ich ihn nie wieder so deutlich wie bei jenem ersten Mal. Später sollte ich mich erinnern, daß ich einmal durch die Gabe mit König Listenreich verbunden gewesen war, als er den Fall von Syltport miterlebt hatte. Seither beschäftigt mich die Vorstellung, wie oft er, alt und krank, der Qual ausgesetzt gewesen war, mit ansehen zu müssen, was er nicht verhindern konnte.
    Ein Teil von mir wußte, daß ich neben dem Vinfluß lag und schlief, fern von den brennenden Hütten und dem Gemetzel, gebettet in hohes Riedgras und umfächelt von einem Sommerfrischen Wind, aber das war unwichtig. Was zählte, war die mir aufgedrängte Wirklichkeit des fortdauernden Ringens der Sechs Provinzen gegen den unerbittlichen Feind von den Äußeren Inseln. Dieses namenlose Dorf in Bearns war höchstwahrscheinlich nicht von überragender strategischer Bedeutung, doch in meinen Augen ein weiterer Stein, der aus der Mauer bröckelte, eine weitere Bresche für den Feind. Wenn die Korsaren sich erst an der Küste festgesetzt hatten, würde es uns in alle Ewigkeit nicht mehr gelingen, sie zu vertreiben. Und sie nahmen sich diese Küste, Hafen um Hafen, ein Dorf nach dem anderen, während der selbsternannte König sich in Burg Fierant verkroch. Ich war Teil dieses Ringens gewesen, als ich noch an Bord der Rurisk gegen die Schiffe der Piraten ausfuhr, doch während der vergangenen Monate, weit entfernt vom Kriegsgeschehen und von Nachrichten abgeschnitten, hatte ich die Menschen vergessen, die mit dem Schrecken leben mußten. Ich war nicht weniger gleichgültig gewesen als Edel.
    Ich erwachte, als der Abend seinen grauen Schleier über Fluß und Ebene breitete. Auch wenn ich mich elend und zerschlagen fühlte, war es eine Erlösung, aus der bedrückenden Traumwelt zurückkehren zu dürfen. Ich setzte mich auf und schaute mich um. Nachtauge war nicht wiedergekommen. Ich spürte kurz zu ihm hin. Mein Bruder, begrüßte er mich, doch mir schien, daß er wegen der Störung ungehalten war. Er schaute den beiden Welpen zu, die miteinander herumtollten. Traurig zog ich mich wieder in mich selbst zurück. Die Kluft zwischen unseren beiden Leben war plötzlich zu groß, um sie zu überbrücken. Die Roten Korsaren, die

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