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Die Legende von Carter Prewitt

Die Legende von Carter Prewitt

Titel: Die Legende von Carter Prewitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Hackett
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für Sie, Gibson. Kommen Sie also bis morgen Mittag auf die Triangle-P und bringen Sie das Geld.«
    »Darauf können Sie lange warten!«, blaffte der Heimstätter.
    »Dann schicke ich Ihnen meine Männer, Gibson.«
    »Drohen Sie mir nicht!«
    Carter Prewitt beugte sich etwas im Sattel nach vorn. »Noch etwas, Gibson.«
    Der Siedler starrte ihn nur an. Sein Mund war zu einem dünnen Strich zusammengepresst, sein Gesicht wirkte verkniffen.
    »Sie haben meine Männer mit der Waffe bedroht. Seit über zehn Jahren – konkret, seit ich hier bin -, hat in diesem Landstrich kein Mensch auf einen anderen die Waffe angeschlagen. Wollen Sie hier den wilden Mann spielen?«
    »Ich habe Ihre Leute von meinem Besitz gejagt, Prewitt. Das ist mein gutes Recht. Wenn es nötig sein sollte, werde ich von der Waffe auch Gebrauch machen. Ich bin mein ganzes Leben lang vor irgendetwas weggelaufen. Doch dieses Mal behaupte ich den Platz, den ich mir zum Bleiben ausgesucht habe. Wenn es sein muss, mit Pulverdampf und Blei.«
    »Wenn Sie Ihre Einstellung nicht ändern, werden Sie zugrunde gehen«, warnte Carter Prewitt. »Am Rock Creek herrschte immer Frieden und Eintracht. Ich dulde nicht, dass sich dieser Zustand ändert. Bringen Sie bis morgen Mittag neunzig Dollar auf die Triangle-P. Und unterlassen Sie es, Zäune zu ziehen. Fordern Sie mich nicht heraus, Gibson. Sie würden zwangsläufig den Kürzeren ziehen.«
    »Lassen Sie mich in Ruhe, Prewitt!«, knirschte der Heimstätter. Mit einem Ruck wandte er sich ab und ging zu dem Gespann, bückte sich nach der Peitsche, hob sie auf und nahm den Ochsen am Kopfgeschirr. Carter Prewitt und seine Leute beachtete er nicht mehr. Die Peitschenschnur knallte, der Ochse legte sich ins Geschirr.
    »Reiten wir!«, gebot Carter Prewitt.
    Sie zerrten die Pferde herum und spornten sie an.
     
    *
     
    Die Fuhrwerke rollten auf der breiten Überlandstraße nach Norden. Es waren zehn Wagen, vor jeden waren vier Maultiere gespannt. Das Ziel der Kolonne war Fort Walla Walla. Dort sollten sie Ware abladen, neue aufnehmen und nach Westen fahren. Von Portland aus würde es nach Süden gehen …
    Cole Shaugnessy lenkte das vierte Fuhrwerk in der Reihe. Ihm ging es ausschließlich darum, zum Columbia River zu gelangen. Als sie ihn aus dem Zuchthaus entlassen hatten, war er mittellos gewesen. Er konnte sich weder ein Pferd noch ein Ticket für die Postkutsche kaufen. Jetzt besaß er zehn Dollar Gehaltsvorschuss. Außerdem hatte man ihn mit einer Winchester samt Reservemunition und einem Revolver bewaffnet. Grund hierfür war, dass die Fuhrwerker die ihnen anvertrauten Waren unter Umständen mit der Waffe in der Faust verteidigen mussten.
    Dass er auf der Tour nach Norden eingesetzt worden war, empfand er als glückliche Fügung. Der Zufall spielte Schicksal.
    Shaugnessy wollte nach über zehn Jahren im Zuchthaus seine Kinder wiedersehen. Die Sehnsucht nach ihnen hatte ihn in all den Jahren geradezu verzehrt. Er war zehn Jahre lang lebendig begraben gewesen. Sechs Tage in der Woche, täglich zehn Stunden, musste er im Steinbruch den schweren Vorschlaghammer schwingen. Eine Kette mit einer schweren Eisenkugel war an seinem Bein befestigt gewesen. Hitze und Staub, Kälte und Schnee, Regen und Wind – das alles hatte ihn ausgehöhlt, aber auch gestählt. An den Abenden war er wie ein Tier ins faulige Stroh gekrochen …
    Nur der Gedanke an seine Kinder ließ ihn durchhalten.
    Die Jahre hatten ihn hart gemacht, sie schürten aber auch seinen Hass. Carter Prewitt lieferte ihn damals aus. Er – Cole Shaugnessy - wurde schuldig gesprochen und verschwand im Zuchthaus. Mit seinem Verrat hatte ihm Prewitt die Kinder genommen.
    Shaugnessy knirschte mit den Zähnen, dass es schmerzte. Sein Hass würde kein Entgegenkommen und keine Versöhnung kennen.
    Yard um Yard rollten die Fuhrwerke nach Norden. Mit jedem Yard kam Cole Shaugnessy dem Columbia River näher. Sein Job war nur Mittel zum Zweck. Eine andere Möglichkeit, nach Norden zu kommen, gab es für ihn nicht.
    Er dachte zurück. Die Wärter waren nicht zimperlich mit ihm umgesprungen. Wie oft hatte er die Peitsche zu spüren bekommen, wenn er erschöpft war und den Hammer absetzte, um einige Sekunden auszuruhen. Jeder Schlag, den er hinnehmen musste, schürte seine tödliche Leidenschaft.
    Was Cole Shaugnessy im Herzen trug, war gefährlicher und tödlicher als die Waffen, die man ihm vor der Abfahrt ausgehändigt hatte.
    Wehe dem, der Opfer dieses aufgestauten Hasses

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