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Die Legende von Carter Prewitt

Die Legende von Carter Prewitt

Titel: Die Legende von Carter Prewitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Hackett
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Prewitt. »Komm, ich helfe dir.«
    Er streckte James Allison die rechte Hand hin, der ergriff sie und zog sich ächzend in die Höhe. Der lange Marsch durchs Gebirge steckte ihm in den Knochen. Jeden Moment drohten seine Beine wegzuknicken. »Geht es dir auch so elend?«, fragte er mit kläglicher Stimme.
    »Ich denke, die Zeit der Strapazen ist noch nicht vorbei«, antwortete Carter Prewitt.
    Stöhnend und ächzend schlüpften sie in die Stiefel, dann marschierten sie los. Mit der Zeit verlor sich die Steifheit aus ihren Beinen. Dennoch war jeder Schritt eine Tortur. Die wund gelaufenen Füße brannten wie Feuer. In den hochhackigen Reitstiefeln ließ es sich nur mühsam gehen. Aber die beiden Männer waren hart; der Krieg hatte sie geprägt und geformt. Und so ertrugen sie Schmerz und Erschöpfung. Der Selbsterhaltungstrieb peitschte sie vorwärts – sie folgten damit einem der ältesten Prinzipien der Menschheit.
    Hinter den Fenstern der Häuser von Camp Wood war es finster. Die Menschen lagen in ihren Betten und schliefen. Carter Prewitt und James Allison näherten sich dem Mietstall von der Rückseite. Sie schlichen an dem mannshohen Bretterzaun entlang und erreichten das Hoftor. Es war geschlossen. Mit Carter Prewitts Hilfe stieg James Allison über das Tor und entriegelte es. Leises Knarren war zu vernehmen, als er einen der Flügel aufzog.
    Geduckt rannten sie durch den Hof. Das trockene Mahlen des Sandes unter ihren Sohlen war das einzige Geräusch, das sie verursachten. Beim Stalltor angelangt hoben sie den schweren Holzriegel aus der Verankerung. Irgendwo in der Stadt begann ein Hund zu bellen. Es war ein wütendes Kläffen, das durch Mark und Bein ging. Im Stall war es finster wie in einer Gruft. Aber Carter Prewitt erinnerte sich an die Laterne, die er am Nachmittag an einem der Tragebalken hängend wahrgenommen hatte. Allison zog das Tor zu, Prewitt holte ein Streichholz aus der Tasche und riss es an seinem Absatz an. Die kleine Flamme spendete kaum Licht. Der Mann vom Salado Creek schützte sie mit der hohlen Hand und ging zu dem Balken, an dem die Laterne hing. Es schepperte leise, als er das Glas in die Höhe hebelte. Er drehte den Docht heraus und zündete ihn an. Die Flamme rußte und flackerte, und erst als Prewitt den Glaszylinder wieder nach unten klappte, brannte sie ruhig. Der Lichtschein kroch auseinander und zerrte die umliegenden Boxen und ein Stück des festgestampften Mittelganges aus der Finsternis.
    Sie suchten zwei Pferde aus, holten sie aus den Boxen und legten ihnen die Sättel auf. Die Vierbeiner schnaubten nervös und spielten mit den Ohren. Zuletzt wurden die Tiere gezäumt. Carter Prewitt holte den Zettel aus der Tasche, faltete ihn auseinander und legte ihn auf die Futterkiste, auf der am Nachmittag der Stallmann gesessen hatte. Der Klumpen Schusterpech lag noch da. Carter Prewitt beschwerte damit das Blatt Papier. Dann nahmen die beiden Männer die Pferde an den Kopfgeschirren und führten sie ins Freie.
    In das Bellen des Hundes hatten in der Zwischenzeit einige Artgenossen eingestimmt. »Diese elenden Köter wecken die ganze Stadt auf!«, presste James Allison nervös hervor und schwang sich in den Sattel. Auch Carter Prewitt saß auf. Sie trieben die Pferde an, stoben durch das halb geöffnete Hoftor hinaus auf die Straße und rissen die Tiere nach links, donnerten die Straße hinunter und passierten schließlich die Kirche. Die Ödnis begann. Sie ließen die Pferde galoppieren. Trommelnde Hufschläge erfüllten die Nacht. Die Hufe schienen kaum den Boden zu berühren.
    Erst als die Pferde nur noch taumelten, hielten sie an. Die Tiere röchelten und röhrten. Schaum tropfte von ihren geblähten Nüstern. Die beiden Männer lauschten. Von etwaigen Verfolgern war nichts zu hören.
    »Wir dürfen die Pferde nicht allzu sehr verausgaben«, meinte Carter Prewitt. »Es ist nicht auszuschließen, dass wir auf ihre Kraft und Schnelligkeit sowie ihre Zähigkeit und Ausdauer noch angewiesen sind.«
    Sie ritten zum Fluss und ließen die Pferde saufen. Dann wandten sie sich nach Osten. Stunde um Stunde ritten sie. Der Tag vertrieb die Nacht, die Natur erwachte zum Leben und bekam Farbe. Sie erreichten den Frio River und überquerten ihn. Hier standen auf den Weiden riesige Herden von Longhorns. Die beiden Männer ritten zwischen den knochigen, schwarzen, braunen und gefleckten Leibern hindurch, darauf bedacht, sich nicht an den ausladenden, spitzen Hörnern zu verletzen. Ein lang

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