Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
war viel zu gefährlich, um ihn ständig mitzunehmen. Ich hätte ihn schon früher loswerden sollen. Ich hätte ihn nach Arborlon bringen und ihn der Königin übergeben sollen. Er hätte uns ohnehin nicht geholfen. Er wurde geschickt, um uns zu töten, und er hatte vor, genau das zu tun.«
Sie nickte, sagte aber immer noch nichts.
»Du weißt, dass er dich nicht hätte gehen lassen. Oder mich. Das weißt du doch, oder?«
»Das weiß ich.« Sie sah ihn an, und er bemerkte, dass sie weinte. »Was ich nicht weiß, ist, wie ich mit dem, was ich getan habe, leben soll. Ich habe ihn getötet. Ich will niemand sein, der Menschen tötet. Ich weiß, dass es notwendig war und dass er uns umbringen wollte und dass ich keine Wahl hatte. Ich weiß das alles. Aber in meinem Herzen weiß ich auch, dass nichts davon eine Rolle spielt.« Sie schluchzte. »Ich breche in Stücke, Pan. Ich bin vollkommen zerbrochen deswegen, und ich weiß nicht, was ich daran ändern soll.«
Er beobachtete sie schweigend, weil er nicht wusste, was er hätte sagen sollen. »Du hattest keine Wahl«, wiederholte er schließlich. »Du musstest ihn töten.«
»Hör auf das zu sagen!« Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihr rotes Haar, als wollte sie es ausreißen. »Hör einfach damit auf!«
»Was soll ich denn sonst sagen? Du hast das Beste getan, was du konntest. Du kannst darüber hinwegkommen. Lass dir ein bisschen Zeit, Prue. Und hör auf, dich deswegen zu quälen.«
Im nächsten Moment war sie aufgesprungen und stand plötzlich neben ihm, als wollte sie ihn mit der Wucht ihrer Wut zerschmettern. »Dann hör du auf, mich von oben herab zu behandeln! Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln! Du willst wissen, was du tun kannst? Ich weiß es nicht! Ich weiß nicht einmal, was ich tun kann, also wie soll ich dann wissen, was ich dir sagen soll? Finde es selbst heraus. Sei mein großer Bruder, und erzähl mir endlich etwas, das wirklich wichtig ist. Sag mir, was ich hören muss, ganz gleich, wie unerfreulich es auch ist. Sei einfach ehrlich mit mir!«
Sie wirbelte herum und stapfte aufgebracht zum Rand der Lichtung, die Hände auf den Hüften, den Kopf gesenkt und mit zitternden Schultern. Sie schluchzte jetzt heftig, aber gleichzeitig schien sie wütend darüber zu sein, dass sie es tat. Oder dass sie dort gelandet war, wo sie sich jetzt wiedergefunden hatte. Oder dass die Welt sie so schlecht behandelt hatte. Oder alles auf einmal. Genau genommen wusste er es nicht.
»Ich weiß nur eins, was ich dir sagen kann!«, schrie er ihr nach. »Ich kann dir sagen, dass ganz gleich, wie schlecht du dich jetzt fühlst, deinetwegen oder meinetwegen, ganz gleich, was als Nächstes passiert oder wie das alles ausgeht, dass ich die ganze Zeit über und den ganzen Weg lang bei dir sein werde! Das kann ich dir sagen!«
Sie erwiderte nichts, und sie hörte auch nicht auf zu weinen. Er stand auf, versuchte aber nicht, sich ihr zu nähern. Er blieb, wo er war, und wartete ab. Wenn es etwas zu sagen gab, würde sie es sagen müssen. Er wusste keine Worte mehr, die noch eine Rolle gespielt hätten.
Es dauerte lange, aber schließlich beruhigte sie sich und hob den Kopf. Sie blieb stehen, wo sie war, und blickte über das Tal. Dann wischte sie sich über die Augen, drehte sich herum und kam wieder zu ihm zurück. Statt stehen zu bleiben, ging sie jedoch einfach an ihm vorbei.
»Schon besser«, erklärte sie. »Holen wir unsere Rucksäcke und gehen weiter. Wir sollten nicht noch mehr Zeit verschwenden, um Tasha und Tenerife zu erreichen.«
Er folgte ihr, als sie zwischen den Bäumen verschwand und zu ihrem Lager zurückging. Er hätte sich gerne selbst oder vielleicht auch ihr erzählt, dass er Frauen niemals verstehen würde, aber er hatte das Gefühl, dass er nicht der erste Mann war, der diese Meinung formulierte, und sehr wahrscheinlich auch nicht der letzte sein würde und dass es außerdem nicht wirklich eine Rolle spielte. Also unterdrückte er diese nutzlose Bemerkung, holte tief Luft, stieß sie laut aus, schüttelte die ganze Angelegenheit ab und stampfte hinter ihr her.
Nach dreißig Minuten kletterten sie durch das letzte Stück Vorgebirge in die Berge hinauf, in Richtung Aphalionpass.
In den ersten beiden Stunden ihrer Wanderung sprachen sie so gut wie gar nicht, sondern konzentrierten sich auf den Aufstieg, eingehüllt in einem Tuch aus Schweigen, in dem sie die Dinge durchdenken konnten. Es blieb bewölkt und grau, und die Sonne war kaum mehr als
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