Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
zumindest nicht verirren würde. Sie konnte zu seinem Geburtshaus gehen, das jetzt verlassen war und verfiel. Dort würde sie finden, was sie brauchte.
Sie lief, so schnell sie konnte, und schon bald atmete sie stoßweise, und ihre Muskeln schmerzten. Sie hatte das Dorf bereits weit hinter sich gelassen, und mit ihm den Wahnsinn und das Chaos, die es verzehrten. Doch trotz ihrer erfolgreichen Flucht konnte sie das Gefühl von Ungläubigkeit und Schock nicht abschütteln.
Dieses … dieses Ding, das in Skeal Eiles Körper hauste, war nicht der Seraph. Alte Geschichten drängten sich in ihre Gedanken, Geschichten aus der Zeit, in der Hawk sein Volk in dieses Tal geführt hatte. Sie waren von vielen bösen Kreaturen verfolgt worden, von denen die schlimmsten die Dämonen waren.
Und jetzt tummelte sich einer von ihnen in ihrer Mitte, verkleidet als Skeal Eile. Sie hegte keinen Zweifel, dass Brickey genau einer solchen Kreatur begegnet war. Plötzlich blieb sie entsetzt stehen, wie angewurzelt.
Dieser alte Mann, dieser Lumpensammler, der versucht hatte, ihr zu schmeicheln, damit sie ihm alles erzählte, was sie über Sider und seinen Stab wusste. Dieser alte Mann, der sie mit seiner furchteinflößend sanften Stimme bedroht hatte, mit seinem einschüchternd selbstsicheren Auftreten, der sie hatte wissen lassen, dass sie es bedauern würde, wenn sie ihm in die Quere kam … Sie fühlte immer noch, wie sie allein unter der Macht seiner Worte verwelkt war; sie hatte sich nur mit Mühe gegen ihn behaupten können.
Skeal Eile war nur eine Spielfigur, keineswegs der Anstifter, für den sie ihn gehalten hatte. Seine Augen verrieten den Dämon, der in ihm steckte; das war einfach nicht zu übersehen. Aber dieser Dämon war nicht immer dort gewesen, sonst wäre es ihr schon früher aufgefallen. Und auch Sider hätte es bemerkt. Der Dämon hatte den Körper des Seraphen noch nicht lange übernommen. Deshalb hatte er ihren Ehemann so leicht töten können, und deshalb konnte er die Leute ihres Dorfes umgarnen, mit einer Leichtigkeit, mit der der echte Skeal Eile das niemals vermocht hätte. Deshalb hatte er das Leben aller Einwohner in einer einzigen Nacht mit falschen Versprechungen und erlogenen Träumen vollkommen auf den Kopf stellen können. Er trug die Verantwortung dafür, dass Arik Siq jetzt frei umherlief und man ihr die Schuld dafür zugeschoben hatte. Er war der Grund für alles Perverse und Schlimme, das in letzter Zeit geschehen war.
Unter der Wucht dieser Erkenntnis wäre sie beinahe zusammengebrochen. Es fiel ihr schwer weiterzugehen, auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Dennoch zwang sie sich dazu, ihr Tempo zu beschleunigen. Sie konnte es sich nicht leisten, sich erneut fangen zu lassen.
Sie erreichte das Stück Urwald unmittelbar hinter dem Dorf und stürmte ins Dickicht, ohne langsamer zu werden. Sie wollte den Wald rasch durchqueren und dann das Hochland erreichen. Sie wurde schon müde, konnte nicht mehr rennen, hatte Schwierigkeiten, die Reserven zu mobilisieren, die sie zweifellos brauchen würde, wenn sie verfolgt wurde. Früher einmal, als sie noch jünger war, hatte sie den ganzen Tag laufen können. Als sie noch mit Sider zusammen gewesen war, hatte sie das auch getan, war mit ihm gegangen, Schritt um Schritt, ebenso stark und fähig wie er, ihm in jeder Hinsicht gleichwertig. Was sie damals verloren hatte, war ihr als Schmerz geblieben, den sie seitdem immer mit sich herumtrug. Als sie jetzt vor dem Dämon flüchtete, tauchte er mit frischer Intensität auf und brachte sie zum Weinen.
Aislinne kam taumelnd zum Stehen, lauschte der Stille ringsum. Obwohl sie es versuchte, konnte sie nichts hören. Es war tiefste Nacht, und keinerlei Geräusche ertönten. Nicht einmal die Vögel zwitscherten. Sie atmete tief durch, um sich zu fassen, dachte, dass sie ihn vielleicht abgehängt hatte, ihn hinter sich gelassen hatte … diesen Dämon, der tat, als wäre er Skeal Eile, das Monster, von dem sie fürchtete, dass es sie weiter verfolgen würde.
Vielleicht tat es das jedoch gar nicht. Vielleicht nicht.
Sie schluckte und setzte sich erneut in Bewegung, ging weiter, langsam, aber stetig. Sie befand sich jetzt mitten im Dickicht, zwischen den hohen Gräsern, und schneller kam sie einfach nicht voran. Aber möglicherweise war es schnell genug.
»Aislinne? Bist du da? Du bist da, hab ich Recht? Ich kann dich riechen.«
Sie spürte, wie sie sich am ganzen Körper vor Angst zu verkrampfen drohte,
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