Die Legende von Shannara 02: Die Herrschaft der Elfen
ging aber weiter.
»Es hat keinen Sinn, vor mir wegzulaufen. Du kannst dich nirgendwo verstecken, denn ich finde dich überall. Warum bringen wir es nicht einfach zu Ende?«
Irgendwie war es diesem Monster gelungen, ihre Spuren zu finden. Irgendwie hatte der Dämon den Abstand mühelos überwunden, den sie zwischen sich und das Dorf gebracht hatte. Sie war so schnell gelaufen, und doch war der Dämon da, fast direkt bei ihr. Sie spürte, wie ihr die Tränen die Wangen hinabliefen, aber sie blieb stumm, drängte sich zwischen den Bäumen hindurch.
»Ich werde schnell machen, wenn du einfach wartest, bis ich zu dir komme. Sag etwas oder gib mir ein Zeichen, damit ich weiß, dass du es so lieber hast. Dein kleiner Freund ist nicht mehr da, um dir zu helfen. Ebenso wenig wie dein dummer Ehemann. Und auch nicht der Mann, der den schwarzen Stab trug, bis er durch die Hände des Drouj starb. Sie sind alle verschwunden. Du bist ganz allein.«
Sie hätte am liebsten geschrien, ihm mit ihrer glühenden Wut die Knochen zerschmettert. Aber sie konnte ihm nichts anhaben. Sie war ja nicht einmal bewaffnet.
»Aislinne, hörst du mir zu? Ich weiß, dass du mich hören kannst.«
Sie konnte dieser Kreatur nicht entkommen, und doch musste sie es versuchen, sie musste einen Weg finden. Sie nahm all ihren Mut zusammen und stürmte weiter, glitt wie ein Gespenst zwischen den Bäumen hindurch, trat vorsichtig auf, lautlos. Hinterlasse keine Spuren. Keine Fußabdrücke, keine Fährte. Konzentriere dich auf das Notwendige. Lass dich nicht von seinen Worten beeinflussen. Es sind nur Worte, und sie können dir nicht wehtun.
Und doch taten sie es. Sie schnitten wie Messer in ihr Innerstes.
Sie war jetzt mitten im Dickicht, so tief im Urwald, dass sie kaum sehen konnte, wohin sie ging, sich von einem vom Mondlicht beschienenen Fleck Erdboden zum nächsten tastete; alles war erstickend dunkel, von Schatten erfüllt. Das Gefühl, dass sie sich beeilen musste, peitschte sie zur Eile, der sie jedoch, wie sie wusste, widerstehen musste. Schritt um Schritt, sagte sie sich. Der Dämon war verstummt, aber sie spürte, dass er hinter ihr war, ihr hartnäckig folgte, entschlossen, sie zu fangen und ihr den Garaus zu machen.
Wenn sie Glück hatte. Wenn sie kein Glück hatte, erwartete sie ein weit schlimmeres Los.
Dann jedoch kreuzte ein Schatten ihren Pfad, unmittelbar vor ihr, ein Schimmer, der anders war als die echten Schatten, nicht gänzlich dunkel, sondern wie von innen erleuchtet. Sie keuchte unwillkürlich auf und hätte beinahe der Angst nachgegeben, die auf ihr lastete. Dann verschwand dieser Schimmer, und sie wandte sich von ihm ab.
Sie blinzelte unsicher. Sie musste es sich eingebildet haben. Jetzt war es nicht mehr da, wobei sie es ohnehin kaum hatte wahrnehmen können. Aber irgendetwas daran, etwas an der Art, wie es sich bewegte, kam ihr bekannt vor.
»Aislinne?«
Das war wieder der Dämon, aber er schien etwas weiter weg zu sein, seine Stimme klang entfernter.
Sie bewegte sich vorsichtig weiter, abwartend. Unvermittelt tauchte dieser andere Schatten erneut vor ihr auf, ein schwacher Schimmer, ein Gespenst des Waldes, das aus dem Nichts kam, um sie abzufangen. Sie wich ihm erneut aus, beeilte sich, es abzuschütteln. Eben noch war es vor ihr, dann war es verschwunden. Und wie zuvor schien es nur eine Vision zu sein, die ihre Fantasie beschworen hatte.
Diesmal jedoch hatte sie das seltsame Gefühl, dass dieser Schimmer Sider Ament imitierte.
Sie ging weiter, bahnte sich einen Weg durch das Gewirr von Bäumen und Gräsern, Wurzeln und knorrigen Stämmen, während der Schatten immer wieder in regelmäßigen Abständen auftauchte und verblasste und sie jedes Mal veranlasste, ihre Richtung zu ändern. Und von Mal zu Mal erinnerte der Schatten sie mehr an Sider.
Sie hörte den Dämon nur noch einmal. Er rief ihren Namen, aber jetzt aus einer, wie ihr schien, großen Entfernung. Danach hörte sie ihn nicht mehr.
Der Morgen dämmerte beinahe schon, als sie den Waldrand erreichte und ins Hochland hinaufstieg, in Richtung von Siders alter Heimstatt. Die Nachtluft strich ihr kalt über die Haut; sie trug nur die Kleidung, die sie während ihrer Gefangenschaft angehabt hatte, weil sie keine Zeit gehabt hatte, sich etwas anderes zu holen. Sie fröstelte in der morgendlichen Kühle. Aber sie ging weiter, um warm zu bleiben, um ihr Ziel zu erreichen, und nach einer Weile bemerkte sie die Kälte kaum noch.
Sie dachte an den Geist in den
Weitere Kostenlose Bücher