Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
Geschäfte zu machen. Meine Sippe und ich waren davon überzeugt, in König Angrias einen so mächtigen Schutzpatron gefunden zu haben, dass wir endlich einmal ohne Sorgen in die Zukunft blicken konnten. Doch leider kam alles ganz anders. Vielleicht lag es am Erbe meines Vaters, vielleicht auch nur an mir und meiner Sturheit. Ich weiß es nicht. Aber es ging einfach alles schief. Verstehe mich richtig, Skriek, ich mochte meine Arbeit als Botin. Gerne habe ich König Emmerich gedient und seine Botschaften überbracht. Er war ein weiser und gütiger Herrscher und liebte sein Volk. König Angrias war und ist da ganz anders. Seine Grausamkeit kennt keine Grenzen. Er ist ein herzloses Despot.
Ich war damals noch recht jung, als ich in seine Dienste trat, aber ich spürte bald, dass ich ihm nicht länger dienen wollte. Natürlich faszinierte mich seine Macht, aber sie stieß mich auch ab. Und ich wusste, dass er kein guter Mensch war und Böses im Schilde führte. So vertraute ich mich eines Tages meinem Vater an, den ich über alles liebte. Auch mein Vater war unglücklich. Er wollte immer frei und selbstbestimmt leben, doch das konnte er in Vinbon nicht. Überall sah man Spitzel und Soldaten. Ostalien verkam zu einer Tyrannei. Daher beschlossen meinen Vater und ich, unsere Absichten meiner Mutter mitzuteilen. Wir wollten Ostalien verlassen und uns wieder König Emmerich andienen. Meine Mutter fiel aus allen Wolken, nachdem sie uns angehört hatte. Sie glaubte, dass wir verrückt geworden waren. Wir baten sie inständigst, den Dienst bei König Angrias aufzugeben und mit uns nach Styranien zu kommen. Doch sie wollte davon nichts wissen. Sie war wie alle Rabenmenschen unglaublich fasziniert von Angrias Macht und um nichts auf der Welt hätte sie sich von ihm losgesagt. Mein Vater und ich begriffen mit der Zeit, dass wir, wenn wir Ostalien wirklich verlassen wollten, ohne meine Mutter gehen mussten. Monatelang überlegten wir hin und her. Ich wurde immer unglücklicher. Jeden Tag stieß mich König Angrias mehr und mehr ab. Irgendwann begann ich ihn für seine Grausamkeit und Unmenschlichkeit zu hassen. Auch mein Vater hielt es nicht länger in Vinbon aus. So sprachen wir erneut mit meiner Mutter und teilten ihr unseren Entschluss mit. Wir wollten zurück zu König Emmerich von Styranien. Meine Mutter brach in Tränen aus. Sie klagte, weinte, drohte und schrie. Irgendwann verließ sie unser Haus und eilte zu den anderen Sippenmitgliedern, die ringsum wohnten. Am Abend kamen sie dann, bewaffnet und voller Wut. Sie hießen uns Verräter und Lügner. Und sie ergriffen uns, legten uns Fesseln an und führten uns zu König Angrias Stadtwache.« Kathinka hält kurz inne. Tränen liegen in ihren veilchenblauen Augen. »Ein Soldat der Stadtwache tötete meinen Vater. Er rammte sein Schwert in das Herz meines Vaters. Ohne Vorwarnung, ohne Grund. Nur aus Jux und Tollerei. Es gab keine Gerichtsverhandlung, keine Anhörung, keine Befragung.« Sie schnieft. »Die Leiche meines Vaters wurde auf einen Misthaufen geworfen. Ich selbst kam in eine Gefängniszelle. Die ostalischen Stadtwachen vergingen sich jeden Tag an mir. Und in der Nacht kamen meine Sippenmitglieder und peitschten mich aus. Auch meine Mutter war unter ihnen. Sie sagte, dass sie keine Tochter mehr hätte und schlug fester zu als all die anderen Rabenmenschen.«
Kathinka weint. Tränen laufen über ihre Wangen. Ich umarme sie, drücke ihr Gesicht an meine Schulter, streiche behutsam über ihren Rücken und flüstere unsinnige Worte. Nach einer Weile beruhigt sie sich wieder. Mit den Ärmeln meines Kapuzenmantels wischt sie ihre Tränen fort.
»Wie bist du entkommen?«, frage ich.
»Eines Tages kam Erik Anfohrrnus in meine Zelle. Er hatte die Wachen überwältigt und die Gefängnistüren mit seiner Magie geöffnet.« Sie blickt mich an. »Erik verhalf mir zur Flucht. Er sagte, dass er von mir geträumt hat und dass eine große Aufgabe auf mich warten würde. Und er versprach mir, dass ich meine Rache an König Angrias bekommen würde. Über geheime Wege gelangten wir zu einem unterirdischen Tunnel. Geschützt durch Eriks Magie verließen wir Vinbon. Dann bestiegen wir zwei Pferde, die er außerhalb der Stadtmauern zurückgelassen hatte, und ritten los. Nachdem wir die ostalische Grenze hinter uns gelassen hatten, erreichten wir einen verlassenen Bauernhof. Dort lebte ich das letzte Jahr über, immer in Sorge, dass mich meine Sippe oder ostalische Soldaten aufspüren
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