Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
wiederum uns allen, wie schwach du doch in Wirklichkeit bist. Und ich glaube nicht, dass sich Lady Kathinka weiterhin zu einem Schwächling legen wird. Ist das nicht ein Dilemma?«
Ich knurre und blicke von Romaldo zu Sincha. Schließlich heftet sich mein Blick auf Clarina. Ihre Hand ist völlig ruhig. Ohne dass ihr eine Gemütsbewegung anzumerken ist, ritzt sie die Haut unter meinem Ohr mit der Spitze ihres Krummsäbels. Ein dünner Blutfaden fließt. »Was ist jetzt, Skriek. Willst du sterben?«, fragt Clarina.
»Bitte, lass Sincha los«, fleht Kathinka.
»Wie du willst.« Ich löse meine kralligen Finger von Sinchas Hals und trete langsam einen Schritt zurück. Die Heerführerin sackt zu Boden und ringt nach Luft. Clarina senkt ihren Krummsäbel. Basola und Lusona gehen zu Sincha Ankonski, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.
»Ich hätte mir etwas mehr Dramatik erwartet«, sagt Romaldo zu Knut.
»Grumpf«, erwidert Knut.
»Ja, Bruder, du hast recht. Es wäre natürlich schade, wenn eine der hübschen Damen ernsthaft verletzt würde. Also wollen wir uns über mangelnde Dramatik lieber nicht beschweren«
»Grumpf. Grumpf.«
»Da muss ich dir jetzt aber widersprechen. Der grüne Schuppenkopf ist völlig unwichtig. Ihn hätte man ruhig abstechen können.«
Ich ignoriere die harbaischen Zwillinge und eile zu Kathinka. Eine rote Schwellung ist auf ihrer linken Wange zu sehen, ebenso die Abdrücke von Sinchas Fingern. Das anfangs noch helle Rot verfärbt sich mittlerweile deutlich dunkler. Sincha hat sehr heftig zugeschlagen. Kathinka muss der Kopf ordentlich brummen. Ich hebe ihre verstreuten Kleidungsstücke auf und helfe ihr dann auf die Beine.
»Geht es dir gut?«, frage ich besorgt.
Kathinka nickt stumm. In ihren Augen kann ich erkennen, dass Scham und Zorn miteinander ringen. Ihre Hände zittern. Das alles ist zuviel für sie gewesen. Die lange, harte Nacht fordert ihren Tribut. Sie kann sich kaum mehr auf den Beinen halten.
Sincha hat sich wieder etwas erfangen und richtet sich auf. Die Eindrücke meiner Krallen an ihrem Hals heben sich deutlich von ihrer sonnengebräunten Haut ab. Immer noch hat sie Mühe, ausreichend Luft zu bekommen. Ihre Atemzüge kommen keuchend. Sie muss ziemliche Schmerzen haben, doch dass hindert sie nicht daran, vor mir hinzutreten und mich ihre ganze Verachtung spüren zu lassen.
»Du bist ein Tier, Skriek. Plump, primitiv und mörderisch.«
»Niemand schlägt Kathinka«, sage ich.
»Sie hat die Ohrfeige mehr als verdient«, entgegnet Sincha.
Ich spucke verärgert aus. »Heerführerin, du weißt nichts über Kathinka. Du hast keine Ahnung von ihrem Leben und davon, was sie alles durchgemacht hat. Wage es ja nicht, dich über sie eine Meinung anzumaßen.«
»Die Spuren der Misshandlungen auf Kathinkas Körper sind mir nicht entgangen«, sagt Sincha.
»Mir auch nicht«, mischt sich Romaldo ein. »Und ich muss ehrlich sagen, die verwachsenen Narben sehen sehr hässlich aus. Die arme Kathinka muss ja über Wochen hinweg ausgepeitscht worden sein.« Ich fauche den Prinzen aus Harba warnend an, doch er spricht einfach weiter. »Kein Wunder, dass sich die Formwandlerin zu dem Schuppenkopf hingezogen fühlt. Gleich zu gleich gesellt sich eben gern. Und beide haben ja wirklich eine äußerst unattraktive Haut. Er hat Schuppen und sie Narben. Wie unansehnlich die beiden doch sind.«
Kathinka schluchzt auf. Ich balle meine Hände zu Fäusten und mache einen Schritt an Sincha vorbei. Es ist an der Zeit, Romaldo sein schäbiges Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln.
»Halt!«, brüllt Sincha Ankonski. »Bleib stehen, Skriek!« Sie zieht ihren Krummsäbel. Und auch die anderen Amazonen greifen zu ihren Waffen. Ich zögere für einen Moment. Romaldo grinst verächtlich. Kathinka eilt zu mir, das Kleiderbündel mit beiden Armen vor ihrem Oberkörper haltend. »Skriek, lass Romaldo. Es ist nicht wichtig, was er sagt.«
Ich halte inne. »Er hat dich beleidigt.«
»Er kann mich gar nicht beleidigen.« Kathinka zeigt ein müdes, trauriges Lächeln. »Für heute ist es genug. Mehr als genug. Bitte, Skriek, komm einfach nur mit mir mit.«
Ich senke meine Arme und öffne meine Fäuste. »Ja, es ist genug.«
»Du bist ein Feigling, Echsenkopf«, spottet Romaldo. »Du versteckst dich hinter den Schürzenzipfeln einer schwachen Frau.«
»Genug, Prinz aus Harba.« Sinchas Stimme bebt. Ihre vormals so eisige Beherrschung ist verschwunden. Die ganze Situation droht zu eskalieren und die
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