Die Legende von Skriek 1 - Das Attentat
damit, gebratene Hühnerstücke, Brot und Wasserschläuche aus einem mitgebrachten Korb zu verteilen. Wir greifen alle hungrig zu und lassen uns im Halbkreis vor Erik auf den kniehohen Strohballen nieder.
Der Zauberer blickt in die Runde. »Morgen früh beginnen die Verhandlungen zwischen Edwin und Angrias. Die beiden Könige sind heute Mittag mit ihrem Gefolge in Yestshire eingetroffen.« Er seufzt. »Es tut mir leid, aber es bleibt euch kaum mehr Zeit, um euch von der langen Anreise auszurasten. In weniger als einer Stunde wird die Sonne untergehen. Sobald es draußen dunkel ist, müssen wir eiligst aufbrechen, um unser Vorhaben in die Tat umsetzen zu können. Und wir werden genau so vorgehen, wie wir es besprochen haben.« Er greift in seinen Mantel und reicht Sincha ein Bündel Papiere. »Das sind Pläne über das weit verzweigte Kanalisationssystem, das unter Yestshire liegt und die ganze Stadt durchzieht. Ihr werdet hier ganz in der Nähe in einen Abflussschacht hinabsteigen und euch entlang der Abwasserkanäle dem Turm nähern. Seid sehr vorsichtig! In den Kanälen und Abwasserrinnen treiben allerlei dunkle Gesellen ihr Unwesen.« Er blickt zu mir. »Du, Skriek, wirst heute Nacht klettern wie noch nie zuvor in deinem Leben. Der Turm von Yestshire ist über dreihundert Meter hoch und aus glatten harten Felsstein erbaut. Es wird nicht leicht werden, ihn zu besteigen. Aber wenn es einer schaffen kann, dann du. Wähle die Nordseite für deinen Aufstieg. Wenn du oben ist, ist der gefährlichste Teil bereits geschafft. Im Turm selbst gibt es kaum Wachen. Niemand kann sich vorstellen, das es einen anderen Weg ins Innere des Turmes gibt, als jenen durch die schmale, äußerst gut bewachte Tür auf der Südseite. Daher gibt es im Turm selbst kaum Sicherheitsvorkehrungen. Doch dank deiner Krallen und Muskeln werden wir allen eine schöne Überraschung bescheren.« Erik kratzt aus alter Gewohnheit sein glattgeschabtes Kinn. »Wenn du einmal im Turm drinnen bist, musst du trotzdem sehr vorsichtig sein. Es gibt eine Handvoll Bedienste. Mägde, Knechte, Zofen und Laufburschen, die im Turm ihren Dienst versehen. Also versuche, jedes Aufsehen zu vermeiden.« Nun zieht er an seiner ungewöhnlich langen Nase. Er wirkt heute ungewöhnlich angespannt. »Du kletterst, wie gesagt, über die Nordwand in den Turm. Direkt unter der dritten Zinne befindet sich tief unten am Grunde des Turmes in einer schmalen Gasse ein alter Brunnen. Er ist mit einer steinernen Platte verschlossen. Sie ist so schwer, dass drei kräftige Männer Mühe haben, sie auch nur ein Stück weit zu bewegen. Du wirst also all deine Kraft benötigen, um die Steinplatte vom Brunnenrand zu schieben. Sei schnell und leise!« Er deutet in die Runde. »Deine Gefährten werden anhand meiner Pläne durch die Abwasserkanäle zu diesem Brunnenschacht gelangen. Hilf ihnen rasch nach oben, damit sie sich gleich an ihre Aufgabe machen können.« Er seufzt. »Und nun kommen wir zum unerfreulichen Teil des Ganzen. Sincha und ihre Kriegerinnen dringen in jenes Gebäude ein, das direkt gegenüber dem Brunnen liegt. Im ersten Stock sind die Zimmer der Schankzofen.«
»Schankzofen?«, frage ich. »Was sind Schankzofen?«
»Schankzofen, mein unwissender schuppiger Freund, sind wunderschöne junge Frauen, die bei Verhandlungen im Turm die hochnoblen Gäste mit Trank und Speise bewirten. Sie sind darauf geschult, Könige und Prinzen zu bedienen und auf das Beste zu bewirten.« Erik dreht sich zu Sincha. »Welche zwei Kriegerinnen werden die Rolle der Schankzofen einnehmen?«
Die Heerführerin schluckt. »Basola und Lusona.« Ihre Stimme ist so kratzig, wie ich es noch nie zuvor gehört habe.
»Gut.« Erik Anfohrrnus nickt. »Ihr werdet zwei Schankzofen aus ihren Zimmern entführen und mundtot machen. Kathinka wird anschließend Basola und Lusona dank ihrer einzigartigen Wandelmagie für einige Stunden das Aussehen der Schankzofen verleihen. So ist gewährleistet, dass Basola und Lusona unbehelligt in den Verhandlungssaal kommen, wo sie Angrias töten werden.« Er richtet seinen Schlapphut. »Romaldo und Knut werden die beiden toten Schankzofen mit in den Brunnenschacht nehmen. Legt sie irgendwo in einem Seitenstrang der Kanäle ab, damit ihre Leichen nicht zu schnell gefunden werden.« Erik wendet sich wieder an mich. »Wenn Sincha, Kathinka und die harbaischen Zwillinge wieder im Brunnenschacht verschwunden sind, verschließe sofort den Einstieg mit der steinernen Platte.
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