Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Gesicht schnitt.
In der Ferne erschien die Silhouette der kleinen Stadt, in der sich zwei Schulen befanden. An ihnen unterwies seine Gefährtin die Anfänger, während sie selbst für die höheren Weihen der Zunft in der nahe gelegenen Akademie unterrichtet wurde. Dort studierten die Gelehrten die angeborenen Kräfte seines Volkes und suchten nach Möglichkeiten, sie zu verstärken und zu verbessern.
Gàlaidon machte sich im Sattel kleiner, um dem Wind zu entgehen. Man könnte meinen, die Böen wollen mich einfrieren. Ich werde das Wärmen von Körper und Geist nötig haben.
Er wusste von den Geschichten, die man sich erzählte. Die Unauslöschlichen besäßen die Macht, echte Magie zu wirken, ähnlich wie die Botoiker, und dass es weitere Albae gab, die man zu den legendären Cîanai rechnete: wahre Beherrscher dieser unsichtbaren Kraft, mit der man Feuer, Blitze und andere zerstörerische Effekte hervorrufen konnte. Nichts schien denjenigen verschlossen zu sein, welche Zauber woben.
Doch Gàlaidon hielt die echten Cîanai für nichts anderes als eine Legende. Einige nannten sich so, auch in der Akademie, aber von gewaltigen magischen Wundern hatte er noch nichts vernommen. Sonst hätten sie sich schon lange gezeigt oder wären mit unseren Heeren in die Schlacht gezogen. Er gab dem Feuerstier die Sporen, sodass das muskulöse Tier wütend brüllte, den Kopf senkte und sich streckte, um zu beschleunigen. Alles andere wäre strafens- und nicht bewundernswert.
Das abendliche Sontèra rückte näher, die Lichter dienten der Orientierung. Es lag eine halbe Meile abseits der Hauptstrecke, eine kleinere Straße führte zum torlosen Eingang, auf die Gàlaidon den Stier einschwenken ließ.
Keine Stadt im Reich der Albae benötigte Befestigungen, denn der ringförmige Wassergraben und die Verteidigungsanlagen um Dsôn Faïmon ließen keinen Gegner durch. Und marodierende Horden oder Banden wie in Ishím Voróo gab es nicht. Nicht mal die unzähligen Sklaven wagten Aufstände, weil sie wussten, dass sie es nicht für einen Splitter der Unendlichkeit auf dem Schlachtfeld mit den Kriegern würden aufnehmen können. Die meisten Mauern und Befestigungen innerhalb des Albaereichs dienten eher zur Zierde oder Zurschaustellung.
Gàlaidon jagte in das kleine Sontèra hinein, ohne dem Tier Einhalt zu gebieten. Sie schossen an umherwandelnden Bewohnern vorbei, die gefeilten Hornspitzen verfehlten mehr als einmal nur knapp den Leib eines Albs.
Kurz vor Ahisiás Haus brachte Gàlaidon den Feuerstier mit einem kräftigen Ruck an den Zügeln zum Stehen, die Lederriemen rissen an Trense und Nasenring. Da es nicht sein eigener Stier war und keine Vertrautheit zwischen ihnen herrschte, musste der Alb zu dem Hilfsmittel greifen, sonst wäre das unglaublich starke Tier nicht zum Anhalten zu bewegen gewesen. Die Hufe rutschten über den Knochenkiesweg, und genau vor dem Tor endete der Ritt.
Gàlaidon sprang aus dem Sattel und reichte die Zügel einem verhüllten Sklaven, der aus dem Nebengebäude eilte, wo sich Gesinde und Stallung befanden. »Achte auf seinen linken Hinterlauf. Dieser Dämon tritt gerne«, warnte Gàlaidon und eilte an dem Barbaren vorbei auf das große Portal zu, das für ihn bereits geöffnet wurde; dahinter wartete eine Sklavin, die wie alle Leibeigenen die graue Kleidung trug, an der sich das Wappen ihrer Herrschaften befand.
Gàlaidon schüttelte den wenigen Dreck vom dunkelgrünen Mantel, damit die schwarzen Ornamente wieder richtig zur Geltung kamen. Er hatte sich den Namen der Barbarin nicht gemerkt, auch wenn sie unverschleiert ihren Dienst verrichtete. Sie war von Ahisiás Vater als hübsch genug erachtet worden, um auf ihren Sichtschutz zu verzichten. Gàlaidon vermied es meist, sie länger anzublicken. Das Kinn war ihm nicht perfekt genug, und in den Augen flackerte gelegentlich Widerborstigkeit auf, die scheinbar nur von ihm bemerkt wurde. Das Beste an ihr ist die sehr sanfte Stimme, doch daraus lässt sich leider kein Kunstwerk formen.
Sie verbeugte sich tief vor ihm und gewährte ihm Eintritt. »Willkommen«, sagte sie. »Die Gebieterin erwartet Euch.«
Gàlaidon blieb stehen und zog den Mantel aus. »Reinige ihn gründlich vom letzten Schmutz und sieh nach dem Saum. An einer Stelle ist ein Faden lose.« Er reichte ihn der Sklavin. »Seit wann sprichst du mich ohne Erlaubnis an?«
Sie legte den Mantel zusammen und behielt die demütige Haltung bei. »Verzeiht mir, Herr. Ich wollte …«
»Wende dich
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