Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
Zauber auf die Mauern gelegt haben. Ein Anschlag ist misslungen. Was folgt nun? »Wohin soll ich gehen?«
»Folge meinen Zeichen, Schwester.« Ein leises Pochen erklang von der anderen Seite.
»Das werde ich tun.« Dieses Mal war Firûsha aufmerksamer. Sie entging durch behutsames Tasten zwei weiteren Vorrichtungen, die zur Abwehr dienten: vergiftete Spitzen am Boden und eine Klinge, die aus der Wand schnappte. Die Klopfzeichen führten sie von einer Falle in die nächste. Du wirst mich nicht los.
Ein lauter Schlag erklang, Staub rieselte von der Decke auf sie herab. »Du vermaledeite kleine Schabe!«, tönte die Stimme plötzlich wütend. »Wieso stirbst du nicht wie die anderen?«
»Weil ich verstand, dass du mich töten willst, anstatt mir beizustehen«, entgegnete Firûsha. »Wer bist du?«
»Der Herr dieses Palastes«, säuselte die Stimme nun lockend. »Verzeih mir meine Bosheit. Ich hielt dich für ein Scheusal. Es besuchte mich lange Zeit niemand, außer meiner guten Freundin Marandëi. Lass uns ebenfalls Freunde sein, Firûsha. Wir sollten uns kennenlernen. Von Angesicht zu Angesicht. Ich mag deine Sangeskünste sehr. Jedes Mal, wenn du übtest, drangen sie durch das Gestein bis zu mir. Komm zu mir, und wir reden.«
Ein Geist womöglich? Der Albin lief ein Schauder über den Rücken. Sie fiel auf den Strategiewechsel ihres Feindes nicht herein, wollte gleichzeitig mehr über ihn herausfinden. Ich tue, als ob ich ihm vertraue. »Wo finde ich dich?«
»Folge den Geräuschen. Ich schwöre, dass dir kein Leid geschehen wird.«
Firûsha vernahm das Klingen eines Glöckchens. Sie würde dennoch aufpassen und jeden Stein, auf den sie trat, genau betrachten.
Bald erkannte sie die Umgebung wieder und endete vor der Luke, die nach unten in den Kellerraum mit dem Altärchen führte. Der Glöckchenklang kam von dort, Kerzenschein leuchtete zu ihr hinauf.
Also ist es doch Marandëi, die mich narren möchte. Behutsam schritt Firûsha die Stiege hinab. »Wo bist du?«
»Hier drüben.«
Sie sah sich um, entdeckte niemanden. »Tritt aus den Schatten«, verlangte sie, weil sie dachte, die Cîanai habe sich mit der Dunkelheit verbunden, um sich vor Blicken zu verbergen.
»Du stehst vor mir.«
Firûsha wandte sich zum Altar. Der Schädel? »Höre ich dich oder erliege ich einem Wahn, den Phondrasôn über mich brachte?«, raunte sie und trat näher an den kleinen Altar heran.
»Nein. Du denkst das Rechte.« Die Augenhöhlen des bemalten und mit Gravuren versehenen Schädels waren finster, leer. »Ich bin der Herr des Palastes und des Glassees, der die Insel umspielt.«
Fasziniert ging sie vor dem fleischlosen Kopf auf die Knie und betrachtete ihn. Die länglichen Verformungen konnte sie sich nicht erklären, auch die platte Stirn widersprach allem, was sie kannte. Eine Missgeburt womöglich.
»Sicherlich nicht! Meine Eltern gab sich große Mühe, meinen Schädel zu verschönern«, entgegnete die Stimme. »Du darfst mich berühren, wenn du möchtest.«
Firûsha hegte nicht die Absicht, auch nur den kleinen Finger auf den Totenschädel zu legen. Nicht, solange sie nicht wusste, was in den geheimen Gängen und verborgenen Kammern des Palastes vor sich ging. Von dem Artefakt ging ein magisches Feld aus, das ihr Gesicht zum Kribbeln brachte. Es ist stark und mächtig, so wie es sich anfühlt. Ich achte besser auf meine Gedanken.
Sie betrachtete die kunstvollen Gravuren, die zweifelsfrei von albischer Hand erschaffen worden waren.
Es musste lange gedauert haben, bis diese Perfektion erreicht worden war. Auf diese kurze Entfernung sah sie die Feinheiten genauer: eingearbeitete Perlen, Silberkügelchen, Blattgold und Silber. Die wertvollen Materialien wirkten poliert und sorgsam gesäubert. Die gelbliche, spröde Verwitterung des Gebeins betonte die Verzierungen und Verschönerungen.
Welchem Kult hängt Marandëi an? »Was bist du?«, fragte Firûsha mit rauer Stimme.
»Ich bin alles, was du möchtest«, erwiderte der Schädel samten. »Ich bin dein Glück.« Die dunklen Augenhöhlen schienen größer zu werden, bis sie Firûshas Gesichtsfeld einnahmen. »Der Erfüller deiner Träume, liebes Kind.«
In ihren Schläfen schmerzte es, die Augen brannten, und ein trockenes Gefühl breitete sich in ihrem Gaumen aus. Sie blinzelte, und als sie hinschaute – blickte sie auf die liebevollen Züge ihrer lächelnden Mutter! Ranôria trug ihr geliebtes schwarzes Kleid mit den weißen Stickereien.
»Wie …?« Hastig
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