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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Maske aus verschiedenen Schädel- und Gebeinstücken, die lediglich Schlitze für die grauen Augen aussparte.
    Ein Scheusal bewahrt mich vor den anderen. Ihr Infamen, was dachtet ihr euch dabei? Die Albin hielt den abgebrochenen Knochen fest in der Faust. Ihr trotziger Überlebenswille war nicht vergangen, obwohl sich die Lage nicht wesentlich verbessert hatte. »Du wirst mich nicht verstehen, aber ich schwöre dir, ich werde dich aufschlitzen, wenn du es wagst, mich anzufassen!«, drohte sie in ihrer eigenen Sprache.
    Der Unbekannte, der sie um einen Kopf überragte, riss den Speer aus dem Scheusal und reinigte ihn mit kurzen Wischbewegungen an dessen Leib. »Warum sollte ich dich anfassen wollen?«, kam es amüsiert unter der Maske hervor. Die Stimme gehörte einem Mann.
    Firûsha staunte den Vermummten an. Das war … Albisch! »Wer bist du? Weswegen verbirgst du dein Gesicht? Wie heißt du?«, sprach sie atemlos.
    »Ich zeige mein Antlitz nicht jedem. Außerdem haben die Viecher dadurch noch mehr Angst vor mir«, gab er zurück und betrachtete den Käfig. »Der Bolzen ist abgebrochen.«
    »Ja. Ich weiß«, erwiderte Firûsha ungehalten. »Kannst du mich herausholen?«
    »Sicher.« Er fädelte den Speerschaft in den Haltering am oberen Ende des Käfigs ein, hob ihn an und schulterte ihn. Er setzte sich in Bewegung, schritt durch den Rauch und die Kadaver hinweg, geradewegs durch die immer dunkler werdende Höhle.
    »Aber … warum tust du es nicht?« Die Albin schluckte. Ich Närrin. Ich bin an einem Ort, an dem mein Volk seine schlimmsten Verbrecher ablud. Er wird eine Gegenleistung erwarten. Da sie ahnte, was es sein konnte, wurde ihr bange, während sie den breiten Rücken ihres Entführers betrachtete. Niemals gebe ich mich ihm hin. Die Entfernung war zu groß, sie vermochte den spitzen Knochen nicht in seinen Nacken zu stechen. »Was beabsichtigst du mit mir?« Die Kälte überfiel sie, brachte sie erneut zum Bibbern.
    »Mitnehmen und in meine Behausung bringen, bevor du mir erfrierst«, bekam sie zur Antwort.
    Das ist nicht schlecht. Sie wog ihre einfache Waffe in der Hand. Es wird sich eine Gelegenheit ergeben. »Und dann?«
    »Wie lautet dein Name?«
    »Firûsha.«
    »Ein klangvoller Name. Er passt zu einer Künstlerin wie dir. Ich werde dir etwas zu essen geben. Eine wärmende Suppe für den Anfang, um deinen geschundenen Hals zu heilen.«
    »Wirst du mich danach befreien?«
    Der Maskierte blieb stehen, drehte den Kopf; ein leises, gedämpftes Lachen erklang. »Ich denke nicht. Du bist nun mein Singvögelchen, kleine Albin. Der Gesang der Heimat fehlte mir.«
    »Gesang?«
    »Er führte mich zu dir, und ich möchte ihn behalten.« Er nahm seinen Schritt wieder auf. »Sei unbesorgt. Ich kümmere mich um dich und werde darauf achten, dass es dir gut ergeht. Du wirst mein schönster Zeitvertreib. Ich hoffe, du kennst viele Melodien. Es wäre bedauerlich, wenn ich deiner rasch überdrüssig würde.«
    Ich bin in die Hände eines Verrückten gefallen. Firûsha stöhnte und sank niedergeschlagen auf den Boden ihres pendelnden Käfigs. Wo immer ihr steckt, meine geliebten Brüder, ich brauche euch.

    Phondrasôn, 5427. Teil der Unendlichkeit (6241. Sonnenzyklus), Frühling
    Das beruhigende Rauschen und die angenehme Wärme verhinderten zunächst, dass Tirîgon seine Augen öffnete.
    Das Geräusch schwoll an und wurde leiser, schwoll an, wurde leiser …
    Das entfernte Rufen von Vögeln mischte sich darunter und erinnerte ihn an die wenigen schönen, sonnigen Momente in Dsôn. Es waren die Augenblicke im Sommer, in denen er mit seinen Geschwistern am Bach am Trichterboden saß und sie zusammen über das Kommende sinnierten.
    Liege ich an einem Fluss? Er hob die Lider und sah Wellen, die auf ihn zurollten, sich auf dem weißen Strand verliefen und versickerten, bevor eine neue sanfte Woge herandümpelte. Ein kleiner Krebs krabbelte über den Sand, die Zangen hoch aufgereckt und wild um sich schnappend, als kämpfte er gegen eine Übermacht unsichtbarer Feinde.
    Träume ich? Jetzt war Tirîgon hellwach und richtete den Oberkörper auf.
    Er befand sich an einem hellen Strand, keine drei Schritt von der Wasserlinie entfernt und halb im Schatten eines großblättrigen Baumes. Weiter von ihm weg lagen die Überreste des Käfigs, der eingedrückt und deformiert wirkte, als habe er großem Druck standhalten müssen. Die Tür war aufgesprungen.
    Ich muss rausgefallen sein, und die Wellen haben mich an den Strand

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