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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Marandëi ließ ihm den Vortritt. »Willkommen in deinem neuen Zuhause, Sisaroth.«

    Ishím Voróo (Jenseitiges Land), Dsôn Sòmran, Dsôn, im nördlichen Ausläufer des Grauen Gebirges, 5427. Teil der Unendlichkeit (6241. Sonnenzyklus), Frühling
    »Ich will aber nicht mit dir sprechen!« Wènelon versuchte, die Tür ins Schloss zu drücken.
    Ranôria war nicht so dumm, den Fuß in den Spalt zu stellen, sondern lehnte sich gegen das kunstvoll gravierte Schwarzholz, um das Zuschlagen des Eingangs zu verhindern. »Nur kurz. Danach lasse ich dich in Ruhe«, sagte sie eindringlich, ohne wie eine Bittstellerin zu klingen.
    Sie befand sich in der engen Gasse vor dem Haus von Wènelon. Der Alb war einer der Anwesenden in der Mordnacht und Zeuge, der wie sechs weitere mit seiner Unterschrift für die Verurteilung ihrer Kinder gesorgt hatte.
    Ein frischer Wind brachte neuerlichen Regen, der trotz des anstehenden Frühlings mit Schneeflocken durchmischt war. Die Kälte traf Ranôrias Gesicht. Die Abkühlung kam ihr gelegen.
    »Aïsolon verhörte mich lange genug. Dir bin ich keinerlei Rechenschaft schuldig«, erklang es von drinnen.
    Täusche ich mich oder vernehme ich Angst? »Nein, das bist du nicht«, erwiderte sie und legte Sanftheit in die Stimme. Seine vehemente Weigerung erweckte ihr Misstrauen. »Ich versuche lediglich zu verstehen, wie meine beiden Kinder zu bestialischen Mördern werden konnten. Das ist alles.«
    Der Druck von der Innenseite nahm zu, die Tür schloss sich.
    Feigling! Ranôria machte zwei Schritte zurück und betrachtete die Fassade des Hauses, das sich mit den umliegenden Gebäuden verband. Die Mauern standen dicht an dicht, Dsôn hatte keinen Platz zu verschenken. Hinter den Fenstern sah sie Silhouetten vorbeihuschen. Man beobachtete sie feige aus dem Schutz der Vorhänge heraus.
    Bei ihm erreiche ich nichts. Blieben sechs weitere Namen. Sie hob den Arm, winkte grüßend. »Meinen Dank«, rief sie laut und wandte sich zum Gehen. Man sollte ruhig annehmen, dass sich die beiden unterhalten hatten.
    Die Furcht vor ihr bestätigte sie in der Annahme, dass die Zeugen etwas verbargen und sich nicht verraten wollten, nachdem sie das Verhör des Statthalters überstanden hatten.
    Ich finde heraus, was dahintersteckt und wer euch anstiftete. Ranôria schlenderte los, durch den Schneeregen und den Kopf leicht gesenkt, damit die feuchtkalte Mischung ihr Antlitz nicht länger traf. Sie hatte sich zurechtgemacht, um Eindruck zu schinden, die Augen mit dunkler Schminke betont und Grau auf die Wangen gemalt, als Zeichen der Trauer. Das steigerte zugleich ihre bedrohliche Wirkung.
    Nach zwei Schritten musste sie einem Fuhrwerk ausweichen, auf dem viele Kisten gestapelt standen.
    Zuerst schenkte sie dem Umstand keine Beachtung, als das Rattern der Räder hinter ihr jedoch verstummte, sah sie über die Schulter: Der Wagen hatte vor Wènelons Haus angehalten, die Ladung verschwand durch die Tür, die ihr verschlossen geblieben war.
    Ranôria eilte zurück, um herauszufinden, was er sich kommen ließ.
    Auf ihre Frage erfuhr sie von einem der Lieferanten, dass es sich in den Kisten und Schachteln um edle Weine sowie Karaffen aus der Glaswerkstatt von Helîstra handelte. Die zweite Lieferung, im Übrigen. Eine dritte sollte morgen folgen.
    Wènelon hat nie und nimmer das Vermögen, sich solche Kostbarkeiten zu leisten. Die Auskunft genügte ihr, um weiter an ihre Verschwörungstheorie gegen sich und ihre Kinder zu glauben. Der Alb lebte im vierten Ring, wo die Einfachen zu Hause waren. Seine Gefährtin verdingte sich als Handwerkerin, die keinen solch hohen Lohn erhielt, um auch nur eine Flasche des Weins zu erstehen.
    Sie lief los, um in den fünften Ring zu gelangen. Dieses Mal würde sie sich nicht abwimmeln lassen.
    Der nächste Name auf der Liste gehörte zu Acòrhia, einer Albin, die bekannt für ihre Erzählkunst war. Sie ließ Dsôn Faïmon für die Jüngsten mit Worten in überhöhter Schönheit auferstehen, machte die Schlacht gegen die Dorón Ashont lebendig und schilderte die Tapferkeit und den Zusammenhalt der Bewohner von Dsôn Sòmran in unnachahmlicher Weise. Acòrhia verstand es, gegen das Grau in den Herzen und Seelen anzukämpfen. Dabei war sie für eine Geschichtenweberin sehr jung und konnte das alte, untergegangene Albaereich kaum mit eigenen Augen gesehen haben.
    Sie ist es also gewohnt, Märchen zu erzählen. Dass sie Aïsolon mit ihrem herausragenden Talent täuschte, wunderte Ranôria

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