Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
Rennen.
Die Schlacht und die Reise vorher waren anstrengend gewesen. Tirîgons Arme schmerzten, die kleineren Schnittwunden brannten und verlangten nach Pflege. Aber die Aussicht, Firûsha in die Arme zu schließen, ließ die Schmerzen vergehen.
Sie eilten über einen der intakten Glasstege zum Ufer, wo die Albin auf einen Mantel gebettet lag. Ihr Brustkorb hob und senkte sich ruhig.
Da ist sie! Tirîgon sank neben ihr nieder und schlang die Arme um sie. Wie eine Schlafende. Erneut ließ er seinen Tränen der Freude freien Lauf, die seine Sorge allerdings nicht wegschwemmten. »Was geschah?«
Rasch fasste Sisaroth zusammen, was er erfahren hatte. »Marandëi wird ein Mittel finden, die Zersetzung aufzuhalten. Deswegen wollten wir zu ihrem alten Palast. Und so trafen wir uns.« Er bedeutete ihm aufzustehen. »Wir bringen sie hinter die Mauern.«
»Sicher! Schnell, rein mit ihr. Wir tragen sie sicherheitshalber zu zweit.« Tirîgon erhob sich und nahm seine Schwester unter den Schultern. Zu zweit trugen sie Firûsha über die durchsichtigen Bohlen über das tobende Glasmeer.
Sie sahen, wie das Elbenschiff ablegte und zu entkommen versuchte, als eine gleißend helle Entladung vom Dach des Palastes voranschnellte und den Rumpf in Hälften schnitt.
Die schimmernden Runen in den Planken erloschen, der Kahn stürzte in die Wogen und fing sofort Feuer, bevor er sinken konnte.
»Was war das?«, entfuhr es Tirîgon. So etwas erlebte ich noch nie!
»Marandëis Werk«, kommentierte Sisaroth, und wenig Stolz schwang in seinen Worten mit. »Sie ist eine Cîanai.«
Esmonäe gab Tirîgon einen Kuss auf die Wange. »Siehst du? Ich versprach dir, dass wir sie vernichten«, sagte sie überschwänglich und lief voraus. »Wir sehen uns in der Halle«, rief sie und jagte den Steg entlang. »Ich muss sehen, ob ich noch einen halbwegs lebendigen Elbenbastard im Palast finde, der meine Klinge kosten darf!«
Tirîgon fehlten die Worte. Seine Gedanken kamen mit dem, was er sah und hörte, nicht hinterher. Bei aller Überforderung und Verwirrung blieb das Glück über die Zusammenkunft mit seinen Geschwistern. Alles fügt sich! Besser als ich je erträumte! Welchen Göttern muss ich dafür danken? Ich tue es, so sie das Leben meiner Schwester retten. Oder aber ich werde ihr größter Feind!
»Es scheint«, merkte Sisaroth an, »dass jeder von uns einen kleinen Schatz in Phondrasôn fand: einen Krieger, eine Cîanai und eine begnadete Kämpferin. Sie führten uns zusammen und gaben uns wiederum Tossàlor, mit dessen Hilfe wir nach Dsôn gelangen.« Er sah zärtlich auf Firûsha. »Und dann bringen wir den Verleumdern den Tod.«
Tirîgon schwieg. Seine Überlegungen wichen von denen seines Bruders ab. Er dachte an die Möglichkeiten, die sich ihnen in Phondrasôn boten.
Mit dieser Konstellation als unerschütterliche Grundfeste würden wir ein Imperium errichten, das niemand niederzuwerfen vermag, schwärmte er im Stillen. Wir wären die uneingeschränkten Herrscher. Er richtete den Blick ebenfalls auf seine schlafende Schwester. Was sind wir schon in Dsôn?
Phondrasôn, nach dem 5427. Teil der Unendlichkeit
»Dann bleiben wir eben hier. Nicht für immer, aber so lange, bis wir einen sicheren Weg gefunden haben.« Firûsha sah abwartend in die Antlitze der Versammelten. Dieses endlose Gerede muss aufhören. Ich kann fühlen, wie die Feindseligkeit steigt.
Sie fuhr sich über das Kopftuch, das sie trug, um den kahlen Schädel zu verbergen. Marandëi hatte einen Zauber zu ihrer Rettung gefunden. Ob er auf Dauer gegen die Wirkung der Ukormorier nützte, würde die Zeit zeigen. Die Haarpracht war zumindest verloren, und Firûsha bat die Infamen, dass sich der Verlust darauf beschränkte.
Die sieben Albae saßen in der Bibliothek des Palastes, tranken eine belebende Kräuterteemischung, welche Marandëi zubereitet hatte und die Wunden schneller heilen ließ.
Der Bücherhort strotzte vor Gemütlichkeit, es gab dicke Teppiche mit abwechslungsreichen Mustern auf dem Boden und schön gearbeitete Schnitzereien in den Vertäfelungen. Die Regale und Schränke hätten noch ein paar Werke mehr tragen können. Die Elben schienen viel weggeworfen zu haben, oder die ursprünglichen Bewohner hatten sich nichts aus Büchern gemacht.
Der Zusammenkunft war das Aufräumen vorangegangen. Es hatte lange gedauert, bis die zahlreichen Elbenkadaver auf dem Steg sauber aufgereiht lagen, wo sie Tossàlor vollkommen entbeinen wollte. Da ihm im Palast die
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