Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
gewickelten bunten Tuch trug. Die Herrscherin spürte das schmerzhafte Kribbeln auf der Haut. Es riecht nach Blut, und die Luft ist aufgeladen wie vor einem Gewitter.
Unter ihnen übte ein halbes Dutzend Albae das Kämpfen, wurde gleichzeitig von Kriegern und Cîani unterwiesen, um die Fertigkeiten miteinander zu verbinden und dadurch unschlagbar im Gefecht zu werden; das Stechen der unsichtbaren Energien, die unentwegt freigesetzt wurden, reichte bis zu ihnen hinauf.
Es gab keine Fahnen, keine herabhängenden Wimpel oder irgendetwas, das in Flammen aufgehen oder dazu dienen konnte, sich zu verfangen, sondern nur puren, unbrennbaren Basalt, der höchsten Temperaturen standhielt.
Wer hätte dies gedacht? Fasziniert verfolgte Modôia, wie die Schülerinnen und Schüler die Attacken mit Schwertern und Speeren traumwandlerisch sicher mit Magie koppelten.
So entstand in einer Ecke der Halle trotz helllichtem Tag eine hausgroße Wolke aus schwärzester Finsternis, in der sich die Angreiferin verbarg, die Modôia noch kurz gesehen hatte. Die Ränder wogten nebelgleich und streckten sich, tasteten sich voran.
»Man kann sie ausdehnen?«, erkundigte sich die Herrscherin, die ein dunkelrotes, bodenlanges Seidengewand mit schwarzen und silbernen Stickereien angelegt hatte.
»Das Mädchen ist in der Lage, das gesamte Gebäude in Dunkelheit versinken zu lassen«, erklärte Khônatá. »Ihre Schwester vermag, Trugbilder zu erschaffen und scheinbar alles zu versetzen: Wände, Türen, Fenster.«
Ein junger Alb setzte zum Sprung an und flog dabei weit in die Höhe, überbrückte eine Entfernung von fünfzehn Schritten, ohne sich sichtlich anzustrengen. Die Landung gelang ihm so leicht, als hätte er nur einen kleinen Hüpfer getan. Beim Aufkommen spaltete er mit seinem Kurzschwert einen mannsgroßen Baumstamm bis zur Halterung im Boden.
Dann gab es eine Albin, die auf dem Boden saß und fünf Kurzschwerter derart rasch um sich herum rotieren ließ, dass keine Klinge und keine Pfeilspitze zu ihr vordringen würden.
Ein Schild aus tanzenden Schneiden. Modôia nickte kaum merklich. »Sie sind alle auf Elhàtor geboren?«
Khônatá begab sich auf gleiche Höhe mit ihr. Sie hatte ein hochgeschlossenes, braunes Gewand gewählt, das durch Schlitze genügend Luft an die Haut ließ. »Die jüngste Generation, Herrscherin, und zugleich die stärkste, die ich jemals ausbildete. Sie alle nahmen die Magie der Insel in sich auf, ohne darunter zu leiden.« Ihre mitleidigen Blicke blieben Modôia nicht verborgen. »Ihnen gelingen die Sprüche bislang auch am einfachsten. Niemals sah ich etwas Vergleichbares, was unser Volk hervorbrachte.«
Nur hundert davon, und ganz Tark Draan wäre an uns gefallen. »Wie stark sind sie?«
»Die Frage müsste lauten: Wie stark vermögen sie zu werden?« Khônatá legte die beringten Hände auf die Balustrade, an ihren rechten Fingern hafteten schwarze Tintenspuren. »Und würdet Ihr mir diese Frage stellen, könnte ich sie Euch nicht beantworten. Die Albae besaßen bislang keine Cîani von dieser Güte.«
Wem erzählt sie das? Modôia schürzte die Lippen und dachte nach. »Wir benötigten demnach magische Formeln, mit denen wir sie weiter ausbilden.«
Khônatá verneigte sich. »Und die Lehrer dazu. Unsere älteren Cîani erforschten in Dsôn zwar unsere Kräfte und Möglichkeiten, aber den wenigsten gelang es, über die angeborenen Fertigkeiten hinauszukommen.« Sie zeigte mit einer knappen Geste auf einen älteren Cîanoi. »Nehmen wir Olòndôras. Er ist in der Lage, das Wetter zu beeinflussen, wenn er sich stark konzentriert. Aber danach liegt er zehn Momente sterbenskrank nieder.«
»Die alte Garde aus Dsôn?«
»Richtig. Wie ich vermag er die Magie der Insel zu nutzen, doch fügen wir uns damit Schaden zu. Oder besser gesagt, das Energiefeld ist wenig freundlich.« Khônatá wandte ihr das Antlitz zu. »Ich hörte, dass es Euch schlechter geht, obwohl Ihr weder Schatten um Euch webt noch …«
Modôia hob abwehrend die Hand. »Meine Leiden haben hier nichts verloren. Auch das Mitgefühl dürft Ihr Euch aufsparen. Elhàtor ist meine Heimat geworden, und ich zahle den Preis gerne dafür, dass wir hier alle sicher leben.« Sie lächelte auf die Schülerinnen und Schüler hinab. »Sie haben es bereits besser als wir. Könnt Ihr Euch ausmalen, wie es deren Nachkommen einmal ergehen wird? Welche Macht sie besitzen und wie selbstverständlich sie damit hantieren werden?« Die Herrscherin seufzte
Weitere Kostenlose Bücher