Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
wäre sinnvoll. Und Kleidung. Aber noch wichtiger ist Wasser.«
»Das finden wir noch. Du wartest vor dem Haus.« Carâhnios verschwand durch die Tür.
Carmondai konnte nicht länger warten und steckte den Kopf in die Pferdetränke. Das Wasser schmeckte abgestanden, er sah kleine Strohreste darin schwimmen, und trotzdem sog er es ein. Warm und doch köstlich schwappte es in ihn. Er schluckte und schluckte, bis er prustend auftauchte und nach Luft schnappte. Besser, viel besser.
Er blickte erneut zum Berg, den eine Hundertschaft über die Reste der schwer beschädigten Treppe erklomm.
Ihm wurde trotz des Sonnenbrandes plötzlich eiskalt: Dort, wo sich sein Verlies befunden hatte, klaffte ein Loch. Man konnte in das Gefängnis sehen wie in einen zerstörten Ameisenbau.
Hätte ich mich nicht befreit, wäre ich tot und meine Aufzeichnungen ein Opfer des Lochs geworden. Er dankte Samusin für dessen Gnade.
Carmondai wünschte Tark Draan keineswegs, dass sich Scheusale zeigten, jedenfalls nicht, solange er sich in dem Krater befand. Danach möge passieren, was auch immer passieren soll. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand. Sein Antlitz brannte, obwohl er im Schatten stand. Mit der hohlen Hand schöpfte er mehr Wasser aus der Tränke, ließ es über sich rinnen.
Erst nach geraumer Zeit erschien Carâhnios wieder.
Er trug einen großen Sack, den er an einem weißen Pony befestigte, sowie vier Satteltaschen, die er an einem Pferd festband. Ein Soldat brachte abgetragene Kleidung, die Carmondai umständlich anlegte. Dafür wurden seine Schellen kurz abgenommen.
Nun wurde ihm noch heißer, seine Haut schien zu glühen und den Stoff verbrennen zu wollen. Zu allem Überfluss waren Hose und Hemd zu kurz, die Stiefel dafür zu weit. Ich sehe aus wie ein Idiot. Die Erniedrigungen gingen weiter.
»Ich habe Proviant und einige Blätter Papier sowie Federn und Tinte mitgenommen«, erklärte der Zhadár und scheuchte den Alb zum Pferd. »Steig auf.«
Tinte. Sie wird verwaschen und auslaufen und Flecken machen. Carmondai dachte wehmütig an seine zerbrochenen, verbrannten Stifte aus Kohlestaub. »Gab es nichts, was aus meinem Kerker gerettet wurde?« Er schwang sich in den Sattel, wobei ihm jedes Gelenk wehtat. Das Taggestirn schien bis zu den Knochen hindurchgedrungen zu sein.
»Doch. Aber mehr als dies habe ich gerade nicht zu greifen bekommen.« Carâhnios legte ihm die Schellen an und verband sie mit einer Kette, die er unter dem Pferdebauch durchzog und mit einem Schloss sicherte. »Du kannst reiten, hoffe ich für dich. Das Abspringen wird dir nämlich nicht gelingen.« Lachend schritt er zu seinem Pony und stieg auf. »Solltest du rutschen, sage mir sofort Bescheid.«
»Damit du es nicht verpasst, nehme ich an?«
»Ganz recht! Das wird ein lustiger Anblick.« Carâhnios grölte vor Heiterkeit.
Carmondai fluchte innerlich. Das Reiten hatte er früher äußerst gut beherrscht, war im Galopp und mit angelegter Lanze in die Schlacht gejagt. Man verlernt es nicht, aber es wird dauern, bis der Gaul und ich uns verstehen. Enttäuscht musterte er das Pferd. »Gibt es vielleicht einen Nachtmahr, den ich nutzen könnte?«
»Nein. Sie sind überwiegend umgebracht worden.« Carâhnios ließ das Pony antraben. »Sollten wir unterwegs Einhörner sehen, kannst du dir einen bauen. Aber irgendwas sagt mir, dass du beim Versuch sterben würdest.«
Seufzend folgte ihm Carmondai zu den Serpentinen, die aus dem Kessel hinauf in die Ebene führten. Das wird die schwerste Reise, die ich je antrat.
Abgesehen davon, dass er Zeuge werden würde, wie ein Zhadár einen Alb nach dem anderen zur Strecke brachte, schwebte sein eigener Tod unentwegt über ihm. Entweder in Gestalt wütender Bewohner, die Rache für die Unterdrückung und Misshandlung nehmen wollten, oder sobald die Aufgabe von Carâhnios erledigt war und es nichts mehr zu jagen gab. Er bezweifelte, dass sich die Elben darüber hinaus noch lange beherrschen könnten, bevor sie sein Leben fordern würden.
Bis dahin muss mir etwas eingefallen sein.
Flucht oder Unentbehrlichkeit, so lauteten die Möglichkeiten.
An die Flucht wollte er noch nicht so recht glauben.
Was könnte ich ihnen bieten, um der Endlichkeit zu entkommen? Carmondai ritt dem Unterirdischen nach. Wissen. Das ist mein Vorteil.
Jetzt brauchte er die richtigen Fragen zu seinem Wissen seitens der Menschen und Unterirdischen, und dann durfte er länger am Leben bleiben.
Nur wer lebt, erhält
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