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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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Königsberg Platz machte, einem zerklüfteten, gewaltigen Gipfel aus Silber.
    Wirklich. Der Berg bestand aus Silber – jedenfalls größtenteils, und das war der Grund für Morgenrötes Reichtum. Selbst die winzigsten Gebäude in Selighafen hatten Verzierungen aus geschnitztem Holz und teure Glasfenster, von denen man auf gepflasterte Straßen blickte, die so sauber waren, dass ich als kleiner Junge überzeugt gewesen war, dass die Pferde auf dieser Insel keine Pferdeäpfel fallen ließen.
    Noch toller wurde Morgenröte, wenn ich es mit Dreckswetter verglich, das nur ein Drittel so groß und in jeder Hinsicht schlechter war: Bei uns war der graue Strand mit Schiffswracks übersät; der verwilderte Wald wimmelte von Fiebermücken und zog sich einen dreckig schwarzen Vulkan hinauf, der so trostlos aussah, dass sich niemand je die Mühe gemacht hatte, ihm einen Namen zu geben; die einzige Ansiedlung war nicht viel mehr als ein Häufchen von Bruchbuden, die zum Himmel stanken.
    Es war so unglaublich unfair, vor allem, wenn man bedachte, dass unser Elend einzig und allein die Schuld von Morgenröte war. Das hatte mir jedenfalls einer der Feldpiraten erzählt, als es einmal besonders stickig war. Seiner Meinung nach war Dreckswetter nur deshalb ein stinkender Sumpf – während Morgenröte immer genau die richtige Mischung aus heiß und sonnig und einer kühlen Brise hatte –, weil der Königsberg den Meereswind daran hinderte, bis zu uns herüberzuwehen.
    Ich weiß nicht, ob das stimmt, denn Percys einziges Buch, in dem etwas zum Wetter stand, Cuspids Naturkunde , erwähnte die Blauen Meere mit keinem Wort. Doch die Vorstellung, dass Wetter Schicksal ist, war seltsam tröstlich: Während eine schöne und angenehme Insel schöne und angenehme Menschen hervorbrachte, brütete ein hässlicher Sumpf Abschaum wie Ripper Jones und meinen Bruder Adonis aus. Wenn mein Leben auf Grund des Wetters beschissen war, wie sollte ich mich da beschweren? Das Wetter lässt sich nun mal nicht ändern.
    Irgendwann begriff ich natürlich, dass die Wahrheit wesentlich komplexer aussah – dass nicht jeder, der in einer hübschen Straße lebt, deshalb ein guter Mensch ist und dass man vielleicht selbst an den verkommensten Orten jemanden findet, dem man sein Leben anvertrauen kann.
    Doch schon damals hatte ich bei all meiner Dummheit immerhin den Verdacht, dass Morgenröte vielleicht nicht ganz so hell und unschuldig war wie sein Name.
    Zum einen standen dort die Festungen – zwei große quadratische Garnisonen links und rechts über dem Hafen, die vor Kanonen strotzten und sich drohend auf den Klippen abzeichneten. Sie waren eine ständige Erinnerung daran, dass Selighafen seine Herrlichkeit vor allem der Tatsache verdankte, dass es bis an die Zähne bewaffnet war. Selbst Schiffe aus Rovien wurden unter Beschuss genommen, wenn sie unangekündigt in den Hafen einliefen.
    Und dann war da noch die Arroganz der Einwohner von Selighafen. Wenn wir ihre Geschäfte mit exotischen Gewürzen und weicher Wäsche betraten, setzten die Besitzer ein breites Lächeln auf und boten Dad an, ihm behilflich zu sein. Doch mehr als einmal erwischte ich einen von ihnen dabei, dass er seiner Frau eine Grimasse schnitt, sobald Dad ihm den Rücken zudrehte. So ein Was stinkt hier so- Naserümpfen oder ein Hast du schon mal so einen Trottel gesehen? -Augenverdrehen. Selbst die Geschäftsinhaber hielten sich für etwas Besseres.
    Das Größte war jedoch die Silbermine. Sie befand sich am Westhang des Königsbergs – auf der windabgewandten Seite, der Dreckswetterseite, der dunkleren Seite. Näherte man sich Morgenröte von Osten (was die meisten taten, weil westlich nur Dreckswetter und weit entfernt die Dschungel der Neuen Länder lagen), sah man die Mine nicht. Selbst wenn man sich von Westen näherte, ließ sich nur schwer ausmachen, was dort oben vor sich ging. Hoch über den Klippen und dem Wald erkannte man nicht viel mehr als eine lange waagrechte Einkerbung, die aussah, als hätte der Berg auf halbem Weg zwischen Baumgrenze und Gipfel eine Duellnarbe.
    Was man allerdings selbst aus der Ferne erkannte, war, dass es dort von Menschen nur so wimmelte. Sie krabbelten wie die Ameisen herum, dunkel gegen die helle Felsoberfläche, krochen in langen gewundenen Reihen in die Mine hinein und heraus und versammelten sich in Gruppen um die Lagerfeuer, die an beiden Enden der Kerbe flackerten. Die meisten von ihnen hatten dieselbe Farbe, ein dunkles Kupferrot von

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