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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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solcher Einheitlichkeit, dass es eine Uniform hätte sein können. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war das jedoch nicht der Fall – sie waren nackt oder zumindest so gut wie. Und sie waren zu dunkel, um vom Kontinent zu stammen, ganz sicher keine hellhäutigen Rovier und schon gar keine dunkelhäutigeren Cartagier.
    Auch wenn ich noch nie leibhaftig einen gesehen hatte, war ich überzeugt, dass sie Eingeborene sein mussten – vermutlich waren sie zu anfällig, um auf Dreckswetter zu leben, auch unter den Roviern in Selighafen sah man sie nicht. Doch dort oben in dieser Mine lebten sie, jahrein, jahraus.
    Bestimmt waren sie nicht aus freiem Willen dort. Manchmal, wenn ich einen besonders unangenehmen Bewohner von Selighafen beobachtete, wie er in juwelenbesetzter Jacke die Himmlische Straße hinaufstolzierte, musste ich plötzlich wieder an diesen weit entfernten Schwarm gesichtsloser Menschen denken, der hinter dem Berg versteckt wurde, und ich fragte mich, wie viel des Reichtums von Selighafen mit ihnen zu tun hatte.
    Es wäre jedoch gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich mir darüber ständig Gedanken machte, während ich durch Selighafen flanierte. Die meiste Zeit war ich einfach von Ehrfurcht erfüllt. Selbst nachdem ich über die angeblich viel imposanteren Städte auf dem Kontinent gelesen hatte, konnte ich mir kaum einen schöneren Ort vorstellen und wünschte mir nichts sehnlicher, als dort und nicht auf Dreckswetter zu leben.
    So war es auch an meinem dreizehnten Geburtstag. Bevor wir die Südspitze auch nur umrundeten und der Hafen in Sicht kam, hatte ich das Thema Eingeborene bereits mit einem Achselzucken abgetan, ich war so aufgeregt, dass ich sogar vergaß, den Seekranken zu mimen.
    Was mir einen Schlag gegen den Hals eintrug, als Adonis aus dem Frachtraum an Deck kam. Während ich mich hustend zusammenkrümmte, hörte ich, wie er Dad zurief: »Können wir im Bunten Pfau Mittag essen?«
    »Zu schick. Kannst ’ne Wurst auf der Straße ham. Lass den Radau, Egbert!«
    Hinter Adonis war Venus aufgetaucht, frisch und munter vom Mittagsschlaf. »Kriegen wir auch Marmeladenkuchen? Ach, bitte, Daddy! Ich hab sooolchen Hunger!«
    »Mal sehen. Wenn ihr euch benehmt. Zuerst das Geschäft. Und lauft mir dabei nicht zwischen den Füßen rum.«
    Genau in diesem Moment hörten wir vom Ufer her ein gedämpftes Grollen. Ich warf mich gerade noch rechtzeitig aufs Deck, da kam auch schon die erste Kanonenkugel – ein sanftes Murmeln, das innerhalb einer Sekunde zu einem leisen Pfeifen anschwoll, um dann als nasser Donnerschlag dreißig Meter von unserem Bug entfernt zu explodieren.
    Der hochgewachsene langhaarige Pirat riss das Ruder nach Steuerbord, und als das Boot von der Küste abdrehte, hallte der Donner kräftig über unseren Köpfen. Eine zweite Kanonenkugel schlug auf dem Wasser auf, nur halb so weit entfernt wie die erste, doch schließlich befand sich das Schiff außer Reichweite der Uferkanonen.
    »Hier ist Schluss, Chef«, erklärte der Pirat und deutete mit einem Kopfnicken auf das Ruderboot.
    »Ihr werdet auf uns warten«, sagte Dad.
    »Bis Sonnenuntergang. Dann segeln wir los.«
    »Vielleicht bleiben wir über Nacht.«
    Mein Herz machte einen Satz, Venus und Adonis bekamen große Augen. Selbst Percy, der immer noch fix und fertig war, weil ihn das Kanonenfeuer aus dem Schlaf gerissen hatte, hob das Kinn. Keiner von uns hatte je eine Nacht auf Morgenröte verbracht.
    »Kostet aber zusätzlich. Zwanzig.«
    »Alles zusammen, okay.«
    »Nein. Extra. Vierzig insgesamt.«
    »Das war nich ausgemacht.«
    Der Pirat drehte den Kopf Richtung Küste. »Feindlicher Angriff war auch nich eingerechnet.«
    Das war zwar eine Lüge, aber völlig vorhersehbar. Genau wie die anschließende Feilscherei und das beiderseitige Pistolengefuchtel, bevor Dad und die Piraten sich am Ende auf einen neuen Preis einigten.
    Sie warfen Anker und wir fünf kletterten ins Rettungsboot. Anschließend band der kurz geratene Pirat unser Boot los und ich übernahm die Ruder, um uns an Land zu bringen.
    Das war Knochenarbeit – mit Percy an Bord hingen wir elend tief im Wasser. Nach der halben Strecke war meine linke Hand voller Blasen und mein kratziges Hemd zum zweiten Mal an diesem Tag schweißnass. Was mir allerdings ziemlich egal war. Erstens kratzte es weniger, wenn es nass war, zweitens lenkte mich das Schiff, das am Kai vor uns vertäut war, vom Schmerz ab.
    Es war ein Fünfmaster von gigantischen Ausmaßen,

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