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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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locker doppelt so groß wie das Frachtschiff, das die Stinkfruchternte zu den Fisch-Inseln transportierte und das ich bis zu diesem Zeitpunkt für das größtmögliche Schiff gehalten hatte. Ich zählte achtzig Luken auf der Steuerbordseite, in vier Zwanzigerreihen.
    Die oberste Reihe war das Batteriedeck, nicht weiter außergewöhnlich – die Luken waren quadratisch und standen unter einfachen Holzklappen offen, dahinter waren undeutlich Kanonenrohre zu erkennen. Die unteren Reihen allerdings waren ein anderes Kaliber. Jede Luke hatte ein viergeteiltes Fenster aus richtigem Glas, manche waren in einem Winkel geöffnet, wie ich es von den per Handkurbel betriebenen Fenstern der schickeren Häuser in Selighafen kannte. Derart empfindliche Fenster auf einem Schiff, das übers Meer fuhr, schienen fast so absurd, wie einem Esel ein Diamantenarmband ums Bein zu legen.
    Als wir näher kamen und das Schiff wie eine der Klippen der Insel immer höher vor uns aufragte, sah ich, dass auch alles andere ähnlich luxuriös war – von den geschnitzten und bemalten Verzierungen auf dem Achterdeck über die glänzenden kostbaren Metallbeschläge bis hin zur Besatzung, die in schnieken blau-weißen Uniformen mit Goldpaspeln in der Takelage herumwuselte.
    Es war, als hätte jemand einen Palast aus dem Fundament gehoben und aufs Wasser gesetzt.
    Selbst Dad war beeindruckt. Als wir uns langsam an dem Fünfmaster zu einem freien Anlegeplatz vorbeiquetschten, verdrehte er den Hals, um die Fenster zehn Meter über uns zu betrachten, danach stieß er einen bewundernden Fluch aus.
    Wir machten zwischen dem riesigen Schiff und der Uferpromenade fest, und als wir auf den Kai hinaufkletterten, warteten ein halbes Dutzend Soldaten und der Hafenmeister auf uns. Nachdem sie sichergestellt hatten, dass wir keine maskierten Kehlenschlitzer waren, schulterten die Soldaten ihre Gewehre und marschierten im Gleichschritt zu dem kleinen Wachgebäude am Fuße des nächstgelegenen Docks zurück.
    Während er beim Hafenmeister unsere Anlegegebühr entrichtete, drehte sich Dad zu dem Berg von einem Schiff hinter uns um.
    »Was zum Kuckuck ist das denn?«, fragte er.
    »Die Irdische Freude . Aus Rovien. Jungfernfahrt.«
    »Was hat sie geladen? Die Königsfamilie?«
    Der Hafenmeister schüttelte den Kopf. »Touristen. Nichts davon gehört?«
    Dad sah ausdruckslos vor sich hin, nickte aber, als wüsste er Bescheid. »Ja. Klar.«
    Als wir ihm den Kai hinunterfolgten, sah Venus Percy an.
    »Was is das, Touristen?«
    Percy schnaubte, als läge die Antwort auf der Hand. »Leute aus Tour.«
    »Wo liegt Tour?«, bohrte sie weiter.
    »Kind, bitte! Wenn ich dermaßen hungrig bin, kann ich keine Fragen beantworten«, erwiderte Percy.
    Ich war ziemlich sicher, dass es kein Land namens Tour gab, aber ich hatte auch keine bessere Erklärung, was ein Tourist sein könnte. Außerdem war ich genauso hungrig wie Percy, und da Dad wieder diesen entrückten Gesichtsausdruck hatte, fürchtete ich, er könnte zu seiner geheimnisvollen Mission aufbrechen, ohne uns vorher etwas zu essen zu kaufen. Genau das passierte dann auch fast.
    Wir folgten ihm von der Uferpromenade in die Himmlische Straße und rannten plötzlich in mehr Leute, als ich jemals an einem Ort gesehen hatte. Zwischen der Promenade und dem Gasthaus Zum bunten Pfau oben auf dem Hügel waren ein paar Hundert prachtvoll gekleidete, fett gefressene Rovier unterwegs. Im Gegensatz zu Dad schien keiner von ihnen ein Ziel anzusteuern – sie liefen einfach herum wie Vieh auf der Weide, schwatzten miteinander und scharten sich von Zeit zu Zeit um ein Schaufenster, um die Ware in der Auslage anzustieren.
    Mir war irgendwie bewusst, dass es sich bei diesen Leuten um Passagiere der Irdischen Freude handeln musste, doch zu diesem Zeitpunkt waren sie (und alles andere, was nicht essbar war) vollkommen bedeutungslos gegenüber dem Grillimbiss, an dem Dad vorbeilief, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
    Es war um die Mittagszeit und der große Eisengrill des Straßenverkäufers knisterte und qualmte. Um Dad zu folgen, mussten wir durch die Qualmwolke laufen, die die Bude einhüllte, und als ich den Geruch von gegrilltem Fleisch einatmete, krampfte sich mein Magen vor Gier zusammen.
    Die anderen zeigten eine ähnliche Reaktion – Percy wimmerte allen Ernstes –, doch Dad lief schnell und wir trauten uns nicht, den Mund aufzumachen. Er eilte im Zickzack durch die kuhherdenähnliche Menge oder wich, wenn es nötig war, auf

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