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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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brennenden Zweiges, das Flappen einer Zeltplane. Er bedauerte jeden, der beschlossen hatte, auf dem Boden zu schlafen.
Die meisten Tiere, die dort herumkrochen oder krabbelten, waren mehr oder weniger giftig. So etwas Dummes aber auch.
    Auf den letzten dreihundert Schritten verließ er den Weg, blieb aber nahe genug, um ihn überblicken zu können. Die Fremden hatten zwei Wächter aufgestellt, die jedoch ängstlich waren und sich bei jedem Geräusch, ob real oder eingebildet, nervös umsahen. Beinahe hätte er gelacht, doch er wollte sie nicht erschrecken und verscheuchen. Sollten sie sich ruhig weiter an den Beinen kratzen und hilflos nach den Insekten schlagen, die um ihre Köpfe summten. Er ging weiter.
    Näher am Lager wurde er noch langsamer und runzelte die Stirn. Die Stimmen, meist unwirsch und unglücklich, waren lauter, als er es erwartet hatte, und das Licht vor ihm war hell, als hätten die Eindringlinge eine große Lichtung gefunden oder freigeschlagen. Der Geruch von brennendem Holz war jetzt stärker, und er konnte Rauchfahnen unter dem Blätterdach vorbeiwehen sehen. Der Wald war hier leiser, denn die Anwesenheit von Fremden ängstigte die wilden Tiere, und der Rauch dämpfte die gefräßige Begeisterung der Insektenschwärme.
    Er schob sich durch ein hüfthohes Meer riesiger Farnwedel. Die Stängel waren klebrig vor Saft. Gebückt arbeitete er sich weiter vor, den Blick auf das Licht vor ihm gerichtet. Er schob einen Vorhang aus Efeu zur Seite, der von den Ästen eines Balsabaumes herunterhing, lehnte sich an den Stamm und spähte ins Lager.
    Es verschlug ihm den Atem. Dies war kein Überfallkommando, es glich schon eher einer gut organisierten Invasion. Er ließ den Blick über die von Menschen geschlagene Lichtung wandern, die gut und gern dreihundert
Fuß breit war, und zählte die Eindringlinge, die sich zwischen den ordentlich um ein Dutzend Lagerfeuer gruppierten Zelten bewegten.
    Krieger, Magier und Bogenschützen. Es mussten hundertfünfzig Fremde sein, vielleicht sogar mehr.
    Rebraal wich in die beruhigende Umarmung des Waldes zurück. Das Herz schlug wie wild in seiner Brust und pochte so laut, dass er fürchtete, es könne ihn verraten. Tausend Fragen, Möglichkeiten und erschreckende Visionen schossen ihm durch den Kopf. In weniger als einem Tag würden diese Männer sich wundern, wo ihre toten Fährtensucher geblieben waren. Dann würden sie kommen. Langsam vielleicht, aber mit großer Macht.
    In Aryndeneth hatte Rebraal zehn Al-Arynaar. Meru war fort, um Alarm zu schlagen. Es war zu spät. Was auch kommen mochte, die wenigen Leute am Tempel mussten sich der Gefahr stellen und sie allein bekämpfen.
    Bevor er sich noch einmal nach vorne schob, um sich alles genau einzuprägen, schickte Rebraal ein inbrünstiges Gebet an Yniss und bat um ein Wunder. Denn sie brauchten so sicher ein Wunder, wie die heiße Sonne auf den Regen folgte.
     
    Erienne sah ohne große Anteilnahme zu, wie der Drache oben am Berghang landete, wo der zweite Kaan mit Hirad saß und sich aufführte, als wäre er der Herr von allem, was er überblickte. Wenn es nach ihr ging, konnten sie alles haben. Es war ein Königreich von Verrätern.
    Die ganze Zeit summte sie Lyannas Lieblingslied und streichelte die Erde, unter der ihre Tochter lag. Sie drehte sich wieder um. Das Grab sah heute besonders schön aus mit den strahlenden roten, gelben und purpurnen Blumen. Lyanna schenkte ihre Energie der Erde. Ihre
unauslöschliche Lebenskraft würde diese Stelle für immer segnen.
    Links und rechts erstreckten sich die Terrassen, die in den sanften Hang des Hügels geschnitten worden waren. Erienne betrachtete die Bögen, Statuen, Säulen und Grüfte, die schönen Steingärten und die perfekt gestutzten Bäume. Sie öffnete ihren Geist für die tiefe, alte Aura der magischen Kraft.
    Es war ganz richtig, dass Lyanna hier begraben lag, zwischen den vor langer Zeit verstorbenen Al-Drechar, den Hütern der Einen Magie. Lyanna hätte die erste Vertreterin einer neuen Generation werden sollen, wäre die Vergangenheit nicht von den letzten vier Al-Drechar verraten worden, die noch am Leben gewesen waren, als Erienne auf Herendeneth eingetroffen war.
    Erienne war mit so großen Hoffnungen hierher gekommen. Sie hatte gehofft, Lyanna könne dazu ausgebildet werden, die in ihr erwachenden Kräfte zu akzeptieren. Die Kollegien mussten doch verstehen, dass ihr kleines Mädchen keines Kollegs Sklavin sein konnte. Dass man sie in Ruhe bei ihren

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