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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Mercuun. Er starrte nach oben und über den Fluss.
    Hoch über dem schmutzigen Wasser, wo sich die Äste der Bäume auf beiden Seiten einander annäherten, konnte das geübte Auge zwischen den Blättern und Ästen drei straff gespannte Seile erkennen. Die gleichermaßen von Elfen und Affen benutzte Brücke überspannte den hundert Schritte breiten Ix. Stromaufwärts stürzte ein Wasserfall mehr als fünfhundert Fuß tief in ein riesiges, geschütztes Becken. Der Abfluss wurde von den langen, trägen Windungen des tiefen Flusses stark verlangsamt. Weit stromabwärts, wo der Ix schmaler wurde, rauschte das Wasser zwischen Felsen durch eine enge Schlucht, bevor er sich wieder verbreiterte und ruhiger dahinströmte. Doch überall, auf seiner ganzen Länge, lauerte der Tod unter der Wasseroberfläche.
    »Wir können es schaffen«, versicherte Rebraal ihm und ließ die Tatsache unausgesprochen, dass sie schwimmend den Fluss niemals überqueren konnten. Sie waren zu schwach, und sie rochen zu sehr nach Blut. Bisher hatten sie Glück gehabt, was Panther und Jaguare anging. Dieses Glück würde sie im Wasser schlagartig verlassen. »Du gehst zuerst. Ich passe auf dich auf. Ich lasse dich nicht im Stich.«

    Mercuun kam schwerfällig auf die Beine und lehnte sich einen Moment an die Palme, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann folgte er Rebraal hinunter zum riesigen Banyanbaum, an dem die Seile befestigt waren. Sie gingen fast unter im Gewirr der Lianen und waren mit Harz, Öl und einigen Sprüchen vor Verwesung geschützt. Er atmete tief durch, ballte die Hände zu Fäusten, sah kurz nach oben und begann zu klettern.
     
    »Hier stimmt was nicht«, sagte der Unbekannte. »Spürt ihr das auch?«
    Hirad zuckte mit den Achseln. Sie saßen mit Darrick und Thraun in einem Esslokal im Hafen. Ilkar hatte ihnen erklärt, es sei ein typisches Lokal, wie es die Elfen bevorzugten, mit langen Tischen und Bänken, hohen Decken, vielen Fenstern und exotischen Suppen und Fleischsorten. Das Lokal war gut besucht, doch zwischen ihnen und den übrigen Gästen, die hauptsächlich Elfen waren, klaffte ein unübersehbares Niemandsland.
    Der Julatsaner und Ren hatten versprochen, sie im Lokal zu treffen, während Erienne und Denser die Märkte der Stadt besuchten. Aeb, der beim Anlegen im Hafen hin und wieder neugierige Blicke auf sich gezogen hatte, war im Gasthof und hielt Kommunion mit seinen Brüdern im Seelenverband.
    »Du meinst, die Elfen mögen uns nicht?«, sagte Hirad.
    »Nein, das meine ich nicht. Bisher waren sie sogar recht freundlich, wenngleich etwas reserviert. Nein, ich meine die Atmosphäre. Es ist, als würde sich eine Angst vor irgendetwas aufbauen. Ich kann es nicht genau benennen. Spürst du denn nichts?«
    »Nein.« Hirad schaufelte sich mit Suppe getränktes Brot in den Mund.

    Der Unbekannte schüttelte den Kopf. »Ich weiß gar nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe mache. Dein Fell ist dicker als das der Drachen. Darrick, was meinst du?«
    »Schwer zu sagen«, erwiderte der ehemalige lysternische General. Er beugte sich vor. »Im Hafen herrscht eine Art von Unsicherheit vor, aber ich würde sagen, das liegt nur am Rückgang des Handels. Da steckt nichts Schlimmes dahinter.«
    Hirad betrachtete den Unbekannten und empfand ein Unbehagen, das ihm nur zu gut vertraut war. Er kannte den großen Mann seit fünfzehn Jahren und wusste, dass er sich nur höchst selten irrte. Seit der Unbekannte, obschon nur kurze Zeit, als Protektor gedient hatte, war sein Instinkt, der ihn vor Schwierigkeiten und Gefahren warnte, sogar noch stärker geworden. Sein Gesichtsausdruck verriet Hirad, dass es keinen Zweifel gab.
    Der Barbar wandte sich an Thraun. Der Gestaltwandler hatte gegessen, als hätte er seit Tagen nichts bekommen, aber jetzt starrte er den Unbekannten mit halb geöffnetem Mund an. Der Löffel war vergessen. Der Unbekannte deutete auf ihn.
    »Thraun weiß, was ich meine«, sagte er. »Nicht wahr, Thraun?«
    Es schien fast, als reagiere er mit einem winzigen Nicken, aber sonst war ihm nichts anzumerken.
    »Was soll denn los sein?«, fragte Darrick.
    »Im Augenblick ist es nur eine Ahnung«, erklärte der Unbekannte. »Es ist wie bei überreifen Früchten, wenn sie unglaublich süß sind und kurz vor der Verwesung stehen. Was es auch ist, es ist im Augenblick noch unter der Oberfläche, aber es wird nicht mehr lange dort bleiben.«
    »Ich kann dir nicht folgen«, sagte Hirad.

    Kurz darauf kam Ilkar mit Ren herein und

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