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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Frühling die Kälte linderte und die ersten Farben des neuen Lebens aus der tauenden Erde brachen, sah es aus, als würde sich ihre Beharrlichkeit auszahlen. Sie waren alle hager und dünn, aber sie lebten noch. Avesh begann zu hoffen, sie könnten überleben und ihre Existenz wieder aufbauen.
    Der Lärm verstärkte sich. Wer noch kräftig genug war, bereitete sich vor, zu rennen oder die Enttäuschung herunterzuschlucken. Doch irgendetwas war anders als sonst. Avesh fing es auf, bevor er die Rufe tatsächlich hörte. Ein überraschter Schrei, dann ein Ausbruch von Empörung.
    Er sah einige Augenblicke zu und spürte, wie das Unbehagen in der Menge um sich griff. Sein erster Impuls war gewesen, nach vorn zu laufen, doch er blieb unsicher stehen. Er nagte an der Unterlippe und stellte sich auf die Zehenspitzen.
    »Atyo, steige auf meine Schultern. Wir müssen sehen, was da los ist.« Der magere Bursche kletterte hoch. »Was kannst du sehen?«
    »Soldaten«, berichtete der Junge. »Und Reiter. Viele Reiter.«
    »Kommen sie den Weg entlang?«
    Das hatten sie schon ein Dutzend Mal gesehen, doch die Stimmung der Menge ließ vermuten, dass etwas anderes im Gange war.
    »Nein, weit verteilt. Alles ist in Bewegung.«
    Jetzt konnte auch Avesh es sehen. Die Vorwärtsbewegung hatte aufgehört, und die Leute kehrten schon um. Die Schreie unzähliger verängstigter Menschen vermischten sich zu einem unbeschreiblichen Lärm, der hin
und wieder von den barschen Rufen der Soldaten übertönt wurde, wenn der Wind in ihre Richtung wehte.
    Der Junge kletterte herunter und sah seinen Vater an.
    »Was sollen wir tun?«,
    »Lass mich nachdenken, mein Sohn«, sagte Avesh.
    Wieder lief eine Bewegung durch die Menge. Es war kein Gekräusel mehr, sondern eine große Welle, die von den Stadttoren ausging.
    »Bei den fallenden Göttern«, keuchte er. Er zog Atyo und Ellin zu sich herum. »Sie wollen das Lager räumen, die Bastarde. Wenn wir getrennt werden, treffen wir uns am Übergang über den Fluss Dord im Norden. Werdet ihr ihn beide finden?«
    »Warum sollten wir getrennt werden?«, fragte Ellin.
    Er musste die Frage nicht mehr beantworten, denn die Welle hatte sie erreicht. Er packte sie bei den Händen.
    »Kommt, wir müssen verschwinden.«
    Das Gedränge wurde dichter, doch immer noch zögerte Ellin.
    »Unsere Sachen.«
    »Lass sie liegen. Komm schon.«
    Avesh spürte die Bewegung jetzt sogar im Boden. Ein Trommeln wie von tausend Hufen. Doch hier wurden Menschen gehetzt. Er zog seine Frau herum und prallte mit jemandem zusammen, der vorbeirannte. Einen Moment lang sah er ein aschfahles Gesicht, das gleich wieder in der Menge verschwand.
    Sie begannen zu rennen. Es gab nur eine Richtung. Quer zur Menge konnten sie sich nicht bewegen, das wäre Selbstmord gewesen. Avesh hielt sie fest und bemühte sich, nicht schneller zu laufen als sein Junge, doch als der Bursche stolperte, hob Avesh ihn mit einem Arm hoch. Seine Frau war dicht neben ihm.

    Er sah nur noch rudernde Arme, flatterndes Haar und die Rücken unzähliger verzweifelter Menschen, die gehetzt wurden und kaum noch die Kraft zum Rennen hatten. Es war eine Treibjagd, die nicht lange dauern konnte. Schon stürzten die Schwächsten, ihre Beine konnten sie nicht mehr aufrecht halten, und ihre Willenskraft vermochte sie keinen Schritt weiterzutreiben. Wer stürzte, wurde liegen gelassen. Man konnte nichts tun, nicht einmal die Angehörigen halfen ihnen. Die anderen flohen weiter und zerrten die weinenden Überlebenden mit.
    Avesh ignorierte die Schmerzen im überanstrengten linken Arm, mit dem er Atyo hielt, und drehte sich kurz zu seiner Frau um. Sie kämpfte sich mit verbissenem Gesicht weiter, und der schmerzhaft feste Griff ihrer Hand verriet ihre Angst.
    Durch die Schreie, die Rufe und das Trommeln der Füße auf dem Boden konnte Avesh Pferde und das rhythmische Stampfen von Männern hören, die im Gleichschritt rannten. Sie kamen rasch näher, und die Fliehenden wurden noch etwas schneller. Noch schlimmer, die Menge teilte sich. Avesh wurde nach links gezogen, Ellin nach rechts. Ihre Hände wurden auseinander gerissen, ihre Finger berührten sich noch einen Augenblick, und dann sah er nur noch ihr verzweifeltes Gesicht und ihre Hand in der Menge verschwinden.
    Reiter galoppierten durch die Lücke und gaben barsche Befehle, in Bewegung zu bleiben.
    »Ellin!«, rief Avesh. »Der Dord. Vergiss nicht den Dord!«
    »Mami!«, kreischte Atyo. Er wollte sich umdrehen, um sie nicht aus

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