Die Legenden des Raben 02 - Elfenjagd
eilig an Bord willst«, sagte er, indem er Sytkan wieder vor seine Augen hob, »dann will ich dir helfen.«
Er warf den Magier nach unten und sah dem sich überschlagenden Körper nach. Der Mensch betete, er möge im Wasser aufkommen, doch seine Götter erhörten ihn nicht. Sha-Kaan wandte sich vom nassen Fleck weit drunten auf dem Deck ab und tauchte zu Nos-Kaan hinunter.
Der verletzte Drache war dabei, wieder aufzutauchen. Sha-Kaan schwamm unter ihn, drückte ihn nach oben und schob ihn zu einer benachbarten Insel, auf deren Strand er ausruhen konnte. Er spürte die Schmerzen, die Nos-Kaan hatte, als wären es seine eigenen. Der Drache, der sich nach dem Angriff der dordovanischen Magier im Südmeer nie wieder ganz erholt hatte, war schwer verletzt.
Er schob Nos-Kaan aus den Wellen heraus. Der geschlagene Kaan legte den Kopf auf den Sand und ließ den gequälten, verbrannten Körper im Salzwasser ruhen.
Sage mir, Nos – werden deine Verletzungen heilen?
Doch er kannte die Antwort schon. Nos-Kaans Flügel lag schlaff und ausgestreckt auf dem Wasser, die Membran
war an vielen Stellen verletzt. Die Schuppen auf dem Rücken waren zerfressen und lösten sich auf.
Es war ein großes Abenteuer, Großer Kaan. Gern hätte ich in unserem Brutland ausgeruht, doch ich fürchtete stets, es sei ein Traum, der sich nicht erfüllen würde.
Dann ruhe jetzt, mein Bruder. Ruhe jetzt. Du sollst gerächt werden.
Nos-Kaan hörte ihn schon nicht mehr.
Sha-Kaan erhob sich auf die Hinterbeine, schlug mit den Flügeln und brüllte seinen Kummer, seine Wut und seine Qual hinaus. Vögel flohen erschrocken, und Eidechsen schossen auf dem Strand hin und her. Das xeteskianische Schiff ankerte an der Anlegestelle. Er beschloss, sie nicht länger warten zu lassen.
Als er durch den Himmel raste, um sich an ihnen zu rächen, ertönte eine Stimme in seinem Kopf. Sie sprach voller Vernunft und Mitgefühl und nahm seiner Wut die Spitze. Sie sagte ihm, er müsse überleben, da ohne ihn die Brut Kaan untergehen würde. Es gebe noch andere Orte, um diesen Kampf auszutragen. Der Sprecher liebte ihn und wollte dafür sorgen, dass die nötigen Forschungen von Helfern durchgeführt wurden, die tatsächlich helfen würden.
Es war die Stimme seines Drachenmannes Hirad Coldheart, und sie rettete ihm das Leben.
Zehntes Kapitel
Dystran, der Herr vom Berge in Xetesk, war ausgesprochen guter Dinge. Er hatte sein Mahl sehr genossen und nahm den Rest des Weins mit, als er den Speisesaal verließ, den er mit dem Kreis der Sieben teilte. Müßig schlenderte er durch den Wandelgang der Alten und betrachtete die beeindruckenden Portraits, die im hell erleuchteten Gang hingen. Er musste sich darum kümmern, dass sein eigenes dort eingereiht wurde. Die anderen abgebildeten Meister waren sehr alt, ein jugendlicher Farbtupfer konnte sicher nicht schaden.
Als er Schritte hinter sich hörte, drehte er sich um. Ranyl folgte ihm langsam. Seinem verzerrten Gesicht war anzusehen, dass er Schmerzen litt, doch er hielt sich trotzig aufrecht und widerstand dem natürlichen Drang, gebeugt zu gehen und dadurch die Schmerzen zu lindern, die sein Magenkrebs verursachte. Lächelnd näherte er sich.
»Mein Lord Dystran, ich habe Nachricht von der Expedition auf Calaius«, sagte er.
»Wirklich?« Dystrans Herz schlug ein wenig schneller. »Ich hoffe, es sind gute Neuigkeiten.«
»Ich wäre dankbar für einen Sitzplatz und ein Glas von dem, was Ihr da habt«, sagte Ranyl lächelnd.
Dystran hob eine Hand. »Verzeiht meine schlechten Manieren.«
Er führte den sterbenskranken alten Magier in den geräumigen, höhlenartigen Speisesaal zurück, wo sie sich abseits von den neugierigen Ohren der anderen niederließen. Diener räumten bereits die Teller und Gläser vom langen, rechteckigen Tisch ab, auf dem in sieben Leuchtern kräftige weiße Flammen brannten. In dem holzvertäfelten Raum trugen die Stimmen so weit, dass Dystran fast flüstern musste, als er seinem Ratgeber Wein eingeschenkt hatte und sich zu ihm setzte.
»Ihr werdet froh sein zu hören, alter Freund, dass unsere wichtigsten Forscher Herendeneth verlassen haben und bereits auf dem Rückweg nach Balaia sind. Es gab Ärger mit den Kaan-Drachen, doch sie konnten unversehrt entkommen. Sie werden in etwa neun Tagen vor Anker gehen und in zwanzig Tagen das Kolleg erreichen. Fünfzig Protektoren begleiten sie. Bald werden wir die Antworten hören, Ranyl, sehr bald schon. Wenn wir nur unsere Grenzen noch so lange
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