Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz
»Ich …«
Ein schrilles Geräusch erfüllte die Kuppel. Es war laut und durchdringend und ließ ihre Schädel beben. Hirad klatschte sich die Hände auf die Ohren und grunzte unwillkürlich. Überall in der Kuppel fielen Schwerter auf den Boden, und die Elfen gingen mit schmerzverzerrten Gesichtern in die Knie.
Abrupt hörte das Geräusch wieder auf, und der Eindruck einer großen Leere entstand. Eine Stimme, durch jede
Oberfläche in der Kuppel verstärkt und absolut deutlich, durchbrach die Stille.
»Jetzt habe ich Eure Aufmerksamkeit. Ich habe einen Vorschlag für Euch. Ihr könnt mich doch hören, werte Rabenkrieger und Elfen?«
Die Stimme verhallte. Hirad hob die Klinge und sah sich um, woher sie käme. Thraun keuchte schwer mit geschlossenen Augen und bleichem Gesicht. Den Elfen ging es nicht besser. Der Unbekannte starrte die Decke an, richtete sich drohend auf und hielt sein Schwert fest. Darrick rieb sich die Ohren und zeigte den gereizten Gesichtsausdruck, der in der letzten Zeit öfter zu sehen gewesen war. Erienne stand dicht neben Denser und sah ihn fragend an, worauf er das Wort ergriff.
»Dystran, dieses Gebrüll wäre nun aber wirklich nicht nötig gewesen.«
»Ich dachte, es beeindruckt Euch. Wirklich, es sollte Euch beeindrucken. Ihr habt Euch an einem Ort versammelt, der für solche Darbietungen geeignet ist wie kein zweiter. Vergesst das nicht. Ich kann noch viel, viel lauter werden.«
»Wir sind von Euren Fähigkeiten gebührend beeindruckt«, sagte Denser, doch seine Stimme klang gelangweilt. »Was wollt Ihr?«
»Ich will das Blutvergießen beenden«, sagte Dystran. »Ihr habt Eure Fähigkeiten im Kampf gegen meine Leute bewiesen, aber das ist jetzt vorbei. Ihr sitzt in der Falle, und das wisst Ihr auch. Aber Ihr müsst nicht sterben. Ich habe ein Angebot für Euch. Ergebt Euch, und keinem von Euch wird etwas geschehen. Die Elfen bekommen sicheres Geleit nach Calaius, sobald die Belagerung aufgehoben wird – vorausgesetzt, sie geben uns zurück, was sie aus unserer Bibliothek entwendet haben. Die Rabenkrieger werden als
unsere Gäste hier bleiben, bis dieser unschöne Konflikt vorbei ist. General Darrick, da Ihr von Eurem eigenen Kolleg zum Tode verurteilt worden seid, müsstet Ihr dies sogar als glückliche Wendung empfinden. Denser, Ihr könnt Euch wieder mit dem Ort vertraut machen, der Euch zu dem gemacht habt, der Ihr seid. Sol, Ihr könnt sicher sein, dass Eurer Familie nichts geschieht. Sprecht über Eure Protektorenbrüder mit ihnen, wann immer ihr wollt. Erienne … Erienne, mit uns zusammen könnt Ihr Euer Potenzial entwickeln. Ich weiß, es ist verlockend, aber ich will Euch Zeit geben, darüber zu beraten. Ich lasse Euch also eine kleine Weile in Ruhe, und dann öffnet Ihr die Türen. Die andere Möglichkeit verheißt nur Leid und Schmerz, glaubt mir.«
Dystrans Stimme verklang. Hirad wollte etwas sagen, doch Denser legte einen Finger auf die Lippen und deutete nach oben. Dann breitete er die Arme aus und stellte eine wortlose Frage. Alle schüttelten den Kopf. Denser lächelte, legte wieder den Finger an die Lippen und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Er winkte Rebraal zu sich.
»Die Eingänge zu den Katakomben sind bewacht. Vielleicht könnte Auum uns die Ehre erweisen«, flüsterte er dem Elf ins Ohr.
Rebraal nickte. »Wir kümmern uns darum.« Er ging zu Auum und übermittelte ihm den Auftrag.
Geführt von den TaiGethen, betrat der Rabe die Katakomben von Xetesk.
Pheone ging alleine um den Krater herum, in dem das Herz von Julatsa ruhte. Sie war zwischen Kummer und Hoffnung hin und her gerissen. Ihre Leute hatten den Belagerungsring um Xetesk erreicht und mit den Al-Arynaar Verbindung aufgenommen. Die Kommunion hatte ergeben, was sie zu hören gehofft hatte. Sie würden kommen, hatten aber noch einen
Auftrag zu erledigen, ehe sie die eigenen Reihen verließen und nach Norden zogen. Diese Neuigkeit hatte sie mit einer unerwarteten Zuversicht erfüllt. Ebenso schnell war ihr das Herz wieder schwer geworden.
Anscheinend war der Rabe im Spiel, auch wenn sein Aufenthaltsort wegen der Schwierigkeiten mit Lystern und Dordover geheim war. Die Gründe dafür hatten sie kaum interessiert, denn auf ihre Frage nach Ilkar hatte sie von seinem Tod erfahren und die Kommunion sofort abgebrochen. Die Trauer über den Verlust und dann die Leere hatten sie erfasst wie ein Sturm, der nicht mehr enden wollte.
Sie war von ihren Freunden fortgelaufen, die an der gemeinsamen
Weitere Kostenlose Bücher