Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz
beschäftigt.«
»Ich habe vertrauenswürdige Mitarbeiter, denen ich die notwendigen Ermittlungen übertragen kann.«
»Sind sie so gut wie Eure Gefängniswärter?«
»Vuldaroq, Ihr werdet mir keine Ereignisse vorhalten, die ausschließlich der Gerichtsbarkeit meines Kollegs unterstehen«, erwiderte Heryst. »Wir haben dringendere Angelegenheiten zu besprechen. Beispielsweise die Lage am Osttor von Xetesk.«
Es war ein Ablenkungsmanöver, von dem sich nicht einmal Heryst selbst viel versprach, aber versuchen musste er es trotzdem.
»Die Lage ist zwar ungünstig, aber stabil, und im Augenblick sind unsere Truppen nicht durch ein weiteres Versagen julatsanischer Magie gefährdet. Eine viel größere Gefahr ist dagegen für uns die Tatsache, dass gestern Abend in Eurem Kolleg die Eine Magie angewandt wurde, und dass die Verantwortlichen entkommen konnten. Anscheinend habt Ihr gegen diese Flucht auch nicht viel unternommen.«
»Und diese Sichtweise habt Ihr der Beobachtungsgabe von Männern zu verdanken, die – wie weit waren sie eigentlich entfernt? Einhundert Schritte? Vielleicht etwas weniger, wenn ich großzügig bin.« Heryst war kampfbereit. Dordover hatte es verdient.
»Wollt Ihr etwa bestreiten, dass der Rabe gestern um Mitternacht aus Eurem Kolleg geflohen ist?«, fragte Vuldaroq.
»Nein.«
»Und Erienne war dabei.«
»Als ich mich das letzte Mal vergewissert habe, gehörte sie noch zum Raben«, erwiderte Heryst.
»Spielt nicht den Neunmalklugen, Heryst. Das steht Euch nicht zu, wenn Ihr in der Defensive seid.« Vuldaroqs Stimme in seinem Kopf war voll selbstgerechter Empörung. »Ich weiß, dass um die Zeit, als der Rabe floh, in Eurem Kolleg die Eine Magie gewirkt wurde. Meine Analytiker konnten die Gegend genau bestimmen. Bei den brennenden Göttern, Mann, es war nicht besonders schwer. Ich weiß auch, dass sich der Rabe in Eurem Kolleg aufgehalten hat, und dass Erienne die einzige Verdächtige ist, die einen solchen Spruch hätte wirken können.«
»Und wie seid Ihr darauf gekommen, Vuldaroq?« Heryst verkniff sich eine gereizte Antwort. »Wir wissen inzwischen, dass Erienne und Denser das Kind gezeugt haben, weil Erienne nicht imstande war, diese Magie zu wirken, aber ein Kind in die Welt setzen wollte, das es konnte. Vielleicht könntet Ihr mir nun erklären, warum Ihr es auf einmal besser wisst. Sollte es etwa wichtige Gesichtspunkte geben, die Ihr mir mitzuteilen vergessen habt?«
Schweigen herrschte in Dordover, während Vuldaroq über seine Antwort nachdachte. Hätte Heryst nicht Eriennes Spruch mit eigenen Augen gesehen, dann hätte er es nicht für möglich gehalten, dass sie das Wissen um das Eine in sich barg. Doch so war es. Die Frage war nur, wie Vuldaroq, der Erienne bereits im Verdacht hatte, seine Mutmaßungen stützen konnte. Was genau wusste Dordover, und wie viel würde Vuldaroq preisgeben?
»Es ist die einzige logische Erklärung«, meinte Vuldaroq schließlich vorsichtig. »Ich war auf Herendeneth, als das Nachtkind starb. Erienne und die Al-Drechar waren bei der Kleinen. Irgendetwas muss auf Erienne übergegangen sein, oder sie ist auf irgendeine Weise fähig, das Wissen und die Lehren der Al-Drechar einzusetzen. Heryst, ich bin kein Experte. Niemand ist es. Wir müssen zusammenarbeiten.«
»Wir arbeiten bereits zusammen«, sagte Heryst.
»Verdammt, das tun wir nicht!«, fauchte Vuldaroq. »Ihr wisst etwas, das Ihr mir nicht sagt. »Was habt Ihr gesehen?«
»Ich war vor allem damit beschäftigt, am Leben zu bleiben. Hirad Coldheart hatte mir ein Messer an die Kehle gesetzt.«
»Dass sie auch direkt vor Eurer Nase zusammen mit Darrick fliehen konnten.« Kichernd nahm Vuldaroq die Sticheleien wieder auf.
»Tja, Ihr habt ja reichlich Erfahrung, was Niederlagen durch den Raben angeht«, schoss Heryst zurück. »Wie viele Männer habt Ihr doch gleich beim Angriff auf Herendeneth verloren?«
»Das ist doch etwas ganz anderes, als im eigenen Kolleg übertölpelt zu werden.«
»Verloren habt Ihr trotzdem. Auf eines können wir uns sicherlich einigen – so etwas tut weh.«
»Dann helft mir doch, Heryst, verdammt. Hat Erienne einen Spruch gewirkt, der mit dem Einen zu tun hatte?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Heryst. »Das Eine wurde angewandt, aber von wem und warum und zu welchem Zweck, diese Fragen untersuchen wir noch. Der Rabe steht einstweilen unter Beobachtung. Wir wissen, wohin sie wollen, und sie sind nur zu sechst. Sie können uns nicht ewig entwischen,
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