Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
denkt«, fuhr Tessaya fort. »Ich werde Euch auch um Unterstützung bitten. In diesem Kampf müssen wir zusammenstehen, wir dürfen nicht einmal um Haaresbreite vom vorgezeichneten Weg abweichen. Alle Spione berichten mir, Xetesk sei unter dem Angriff von Lystern und Dordover beinahe zusammengebrochen. Letztere bilden ein Zweckbündnis, das von den Elfen unterstützt wird. Die Elfen werden jedoch nach getaner Arbeit in den Süden zurückkehren.
Ich schlage vor, jetzt gegen Xetesk loszuschlagen. Wir nehmen die Stadt ein, wie wir Julatsa eingenommen haben. Wir zerstören das Kolleg, wie wir es in Julatsa getan haben. Wenn Xetesk verloren ist, wird sich das Machtgleichgewicht verändern. Dordover wird gegen Lystern um die Vorherrschaft kämpfen. Wir müssen dann nur noch warten, bis sie
sich gegenseitig schwächen, während wir unsere Kräfte sammeln und unsere Pläne schmieden. Wenn der richtige Augenblick gekommen ist, werden wir nach Norden ziehen und beide Kollegien, eines nach dem anderen, erobern.
Doch wir werden nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, als unsere Gier auf Siege uns immer weiter trieb und uns verleitete, unsere Kräfte immer weiter aufzuspalten. Wir werden uns nicht zersplittern, und wir werden unsere Kräfte nicht über Gebühr strapazieren. Wenn die Kollegien besiegt sind, werden wir innehalten, uns einrichten und das neue Land verteilen. Wir werden mit den Baronen und Lords im Osten von Balaia Handel treiben. Ihre Gier wird uns helfen, den Sieg zu erringen. Was sagt Ihr dazu?«
»Wir sind ein Kriegervolk«, rief einer von hinten. Es war Quatanai, ein Mann, der große Unterstützung genoss. »Es ist nicht unsere Art, als Bauern zu leben und zu verweichlichen.«
»Es ist auch nicht unsere Art, in Städten zu leben«, erwiderte Tessaya. »Aber warum sollten wir sie niederreißen, wenn sie für uns arbeiten können? Die Kollegien müssen zerstört werden, weil die Magie sterben muss. Doch davon abgesehen, ist es besser, aus einer Position der Stärke zu verhandeln und den Osten Balaias zu zwingen, zu unseren Bedingungen Handel zu treiben.« Er lächelte. »Wer unter uns wüsste Blackthornes Wein nicht zu schätzen?«
Die Männer stimmten ihm kichernd zu. Er hob die Hände.
»Wer ist hier unter uns, der besser als die Leute des Barons wüsste, wie man die Trauben keltert? Es ist ganz einfach, meine Lords. Wir behalten, was wir brauchen, und zerstören, was überflüssig ist. Alles andere würde nur unser Blut vergeuden, und ich will nicht, dass mein Volk sinnlos
stirbt. Nicht jetzt und nie wieder. Nun, wollt Ihr mir folgen?«
Die lauten »Aye«-Rufe, das Klirren der Becher und der Jubel zeigten ihm, dass er sie, wenigstens für den Augenblick, auf seine Seite gezogen hatte. Doch er gab sich nicht der Illusion hin, dass sie ihm aufs Wort glaubten. Für sie reichte zunächst die Aussicht, der Magie einen tödlichen Schlag zu versetzen. Sobald die Schlacht vorbei war, würde seine Führungsrolle auf eine ernste Probe gestellt.
Tessaya fing Quatanais Blick auf und sah seine Gedanken so deutlich, als hätte er sie laut ausgesprochen.
Er musste vorsichtig sein.
Sechstes Kapitel
»Denser!« Thrauns Stimme war leise und drängend.
Es war Vormittag. Das Getöse der Schlacht am Osttor von Xetesk wehte den sanften Hang herauf und störte die Ruhe. Denser hatte im Liegen anhand der Geräusche herausgefunden, dass der Kampf hauptsächlich mit magischen Mitteln ausgefochten wurde. Irgendwann ermüdeten die Magier jedoch, und ein Patt trat ein.
Da auf der Seite von Xetesk keine Protektoren und bei den Verbündeten keine Elfen mehr kämpften, waren die Kontrahenten an Körper und Geist geschwächt. Normale Männer standen einander gegenüber, und wer den stärkeren Willen besaß und in den letzten Tagen seine Kräfte besser eingeteilt hatte, würde letzten Endes siegen.
Denser rappelte sich auf. Die Zweige über ihm regten sich kaum, die warme Sonne trocknete den nassen Boden. Während er in dem von Elfen gebauten Biwak auf Leder geruht hatte, war das Mana durch das dunkle Tor in ihn zurückgeströmt, das die Xeteskianer seit Jahrhunderten benutzten. Der Mana-Sturm war inzwischen abgeflaut.
Der Gestaltwandler saß an der Glut des Lagerfeuers, ein
Bein lang ausgestreckt. Die Hose war abgeschnitten, und er trug einen sauberen Verband, durch den ein wenig Blut gesickert war.
Neben ihm lag Erienne, bleich und wunderschön im fleckigen Sonnenlicht. Thraun strich ihr die Haare aus dem Gesicht und
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