Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
»Es ist alles in mir. Ich kann es nicht abgeben, ich kann es nicht von anderen tragen lassen. Es ist in mir. Es versucht, mich zu besiegen.« Sie unterbrach sich, drehte sich zu ihm um und sah seinen verletzten Blick und das besorgte Gesicht. Leise sprach sie weiter. »Es verhöhnt mich, Denser. Aber wie kann es das tun? Es ist nicht intelligent. Wie kann ich etwas besiegen, das überhaupt nicht da ist?«
»Was du in dir einen Kampf erlebst, dann zeigt dein Geist dir zugleich das, was du besiegen musst. Es ist auch ein Kampf um die Kontrolle über deinen eigenen Körper. Ich weiß, dass ich dir eigentlich nicht helfen kann, aber sperre mich bitte nicht aus. Bitte tu das nicht.«
Sie streichelte sein Gesicht. »Ich will es versuchen«, sagte sie. »Es ist nur so schwer. Ich fühle mich, als wäre ich der einzige Mensch, der eine Flutwelle aufhalten kann, die uns alle ertränken will. Es ist so schwer, einen Raum für irgendetwas anderes zu finden.«
»Dann tu es nicht.« Denser lächelte, aber seine Augen blickten bekümmert wie zuvor. »Ich werde es verstehen.«
»Sag mir das in einem Jahr«, erwiderte sie. »Oder in ein paar Monaten.«
»Vorausgesetzt, wir leben überhaupt so lange«, antwortete Denser. »Vielleicht überstehen wir nicht einmal mehr einen weiteren Tag.«
Er rutschte im Bett zur Seite, richtete sich auf und stützte sich mit beiden Armen ab.
»Sag mir, was du heute gesehen hast«, bat er sie. »Warum hast du die Bergung unterbrochen?«
»Ihr eigener Spruch hat das Problem verursacht«, erklärte sie sofort. »Da bin ich jetzt ganz sicher. Ihr eigenes
Mana hat im Stein rings um das Herz irgendetwas ausgelöst, als sie ihre Energien gebündelt haben. Es war wie ein Schmutzfleck, der sich nach oben ausgebreitet hat. Es kam mir vor, als hätten sie ihn selbst gezwungen, das Herz zu bedrängen und zu verdecken. Es wird wieder geschehen, wenn sie es noch einmal versuchen.«
»Darrick will sie mindestens bis morgen noch davon abhalten«, sagte Denser. »Er meint, wenn die Julatsaner keine Sprüche wirken, um Xetesk aufzuhalten, dann überstehen wir keinen weiteren Tag.«
»Sie können nicht warten«, entgegnete sie, ein wenig verärgert über sein mangelndes Verständnis. »Ist das nicht offensichtlich?«
»Nein«, gab Denser zu. Sie seufzte ungeduldig, beherrschte sich und verkniff sich eine scharfe Antwort.
»Entschuldige.« Sie beruhigte sich wieder. »Der geballte Einsatz der Magie verursacht das Problem. Wenn sie morgen alle da draußen sind und Schilde wirken, dann wird das Mana abermals versagen. Daran habe ich überhaupt keinen Zweifel. Geren hatte nur zur Hälfte recht. Die einzige Chance ist, das Herz zu bergen und an seinen alten Platz zu stellen, damit es den Mana-Fluss wieder in Gang bringt. Wir müssen hoffen, dass der Schatten während der Bergung unterdrückt werden kann.«
»Wie?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Tja, da muss ich mir wohl was einfallen lassen, oder?«
»Woran denkst du?«
»Woher soll ich das wissen? Bei den Göttern, Denser, ich bin doch kein Orakel.«
»Das stimmt, aber du bist die Einzige, die überhaupt helfen kann. Niemand sonst sieht das Problem, und erst recht kann niemand etwas dagegen unternehmen.«
Abrupt wandte sie sich ab und stand auf. Der Stein war kalt unter ihren nackten Füßen. »Wundervoll. Erienne, die Retterin von Julatsa. Erienne, die Retterin der ganzen verdammten Welt.« Sie drehte sich wieder zu ihm um. »Das Problem ist nur, dass ich keinen blassen Schimmer habe, wie ich das anfangen soll.«
»Also, vielleicht kann ich …«
»Nein!«, rief sie. »Niemand kann das.« Sie schlug sich die Hände vor das Gesicht. »Entschuldige, Denser. Bitte schlaf weiter. Du musst dich für den morgigen Tag ausruhen.«
»Komm wieder ins Bett«, sagte er mit der sanften Stimme, in die sie sich damals verliebt hatte.
»Ich kann nicht schlafen. Ich muss nachdenken.«
»Wann werden die Al-Arynaar wieder Sprüche wirken können?«, fragte Denser nach einer Weile.
Sie zuckte mit den Achseln. »Sie waren erschöpft, wie du weißt. Dagegen konnte ich nichts tun. Vielleicht am Nachmittag, vielleicht erst später.«
»Ich verstehe«, sagte er. »Erienne, willst du etwas für mich tun?«
»Ja, wenn ich kann«, versprach sie ihm.
»Erzähle alles, was du mir erzählt hast, auch Darrick. Ich glaube, er wird heute Nacht sowieso kaum schlafen, und er sollte es erfahren. Er müsste im Refektorium oder im Gästehaus sein.«
»Ich gehe am besten sofort zu
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