Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
kleinere in der Größe von Männern. Alle drei schrien im Kaltraum vor Schmerzen auf, denn dort verloren sie das Mana, das sie am Leben erhielt.
Der Kampf war kurz, aber laut. Schwerter blitzten im Fackelschein. Chandyr ermahnte seine Männer mit Rufen, sich zu konzentrieren und vorsichtig zu sein. Die Dämonen flogen ungeschickt und sanken rasch herab, als ihre Kräfte schwanden, waren aber immer noch entschlossen, alle mit in den Tod zu reißen, die sie nur erreichen konnten. Direkt vor Dystran reagierte ein Xeteskianer zu spät. Seine Klinge verfehlte die Klaue, die ihn packen wollte, und nun war er dem Dämon hilflos ausgeliefert. Seine Seele wurde ihm genommen, und er sackte zusammen.
Chandyrs Klinge traf den Rücken der Kreatur, weitere Kämpfer unterstützten ihn. Hackend und hauend zwangen sie das Biest nieder. Ein Schlag trennte den Kopf vom Rumpf, das Wesen erbebte noch einmal und blieb still liegen.
Schweigen herrschte, abgesehen vom schweren Atem der Männer und leisen, beruhigenden Stimmen. Die beiden anderen Dämonen waren durch die offenen Türen des Komplexes geflohen, die geschlossen wurden, sobald draußen die Feuerwände zusammenfielen. Dystran sah sich um und betrachtete die Männer mit den kreidebleichen Gesichtern, die an den Wänden saßen oder lehnten. Er sah sogar Tränen, wusste aber nicht zu sagen, ob es Erleichterung oder Angst war. Freunde hatten sich um den Mann gesammelt, der gerade gefallen war. Irgendwo glitt eine Klinge aus einer müden Hand.
»Gut gemacht, ihr alle«, sagte Chandyr. »Gut gemacht.«
Dystran drehte sich zu dem Mann um, der in seinen Armen lag. Vuldaroq. Als er den dordovanischen Erzmagier zum letzten Mal gesehen hatte, war dieser streitlustig, fett
und überheblich gewesen. Der Mann, den er jetzt betrachtete, war nur noch ein Schatten seiner selbst, hager und bleich. Die Haut im Gesicht und am Hals hing schlaff herab, wie wohl am ganzen Körper. Dystran spürte, wie Vuldaroqs Muskeln zitterten. Zwischen den fest zusammengepressten Lidern quollen Tränen hervor. Sein Atem ging keuchend, Blut lief aus Schnittwunden im Gesicht und an den Händen. An den Stellen, wo er hart auf den Boden geschlagen war, verfärbte sich bereits die Haut.
Eigentlich hätte Dystran Hass auf den Mann empfinden müssen, doch die letzten zwei Jahre hatten viel verändert. Der Krieg war vorbei gewesen, sobald die ersten Dämonen aufgetaucht waren und die Wesmen die Stadt verlassen hatten. Seitdem hatte die spärliche Kommunikation zwischen den Kollegien eher an das Wiedersehen alter Freunde erinnert. Zeit für Anschuldigungen hatten sie nicht gehabt.
Der Herr vom Berge richtete sich auf und zog Vuldaroq hoch, bis der schwere Mann sitzen konnte. Der Dordovaner war völlig erledigt, viel länger hätte er sicher nicht fliegen können. Ein rascher Blick verriet Dystran, dass es den anderen nicht besser ging.
»Schafft etwas Heißes zu trinken, Essen und Decken her. Macht Betten für diese Männer, damit sie ausruhen können. Wir wollen sie nicht noch wegen ihrer Erschöpfung verlieren.«
Vuldaroqs Augenlider öffneten sich flatternd. Die Augen waren rot unterlaufen und schwammen vor Tränen.
»Danke«, krächzte er heiser.
»Das war aber ein ungewöhnlicher Auftritt«, sagte Dystran. »Was ist passiert?«
»Dordover ist nicht mehr«, sagte Vuldaroq. Auf einmal klang seine Stimme in der Stille, die sich über die Kuppel gesenkt hatte, sehr laut. »Wir sind die Letzten.«
Dystran wurde es kalt. Das zweitgrößte Kolleg in Balaia, auf vier Magier reduziert.
»Wie konnte das geschehen?«
»Wir waren von Anfang an nicht stark genug, während sie mit jedem Tag stärker wurden. Es ist unvermittelt in den letzten Tagen geschehen, als hätten sie von irgendwo Kraft gewonnen.« Er hustete, sodass sein ganzer Körper erbebte, und schauderte.
»Später«, sagte Dystran. »Esst etwas und ruht Euch aus. Hier seid Ihr vorerst sicher.«
Alles, was Vuldaroq berichtet hatte, bestätigte Dystrans schlimmste Befürchtungen. Er sah sich nach Chandyr um. Der Kommandant stand auf der anderen Seite der Kuppel und erwiderte gleichmütig seinen Blick.
»Ich brauche endlich mal wieder gute Neuigkeiten«, sagte Dystran. »Wo ist meine Bibliotheksgruppe?«
»Sie sind noch nicht zurückgekehrt«, erklärte Chandyr. »Geduld, Mylord.«
»Wir kämpfen um unser Leben«, erwiderte Dystran. »Wir haben keine Zeit, geduldig zu sein.«
Wie Schatten huschten die Dämonen am Rande von Sharyrs Gesichtsfeld
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