Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
gut ich konnte«, antwortete Vuldaroq. Genau wie bei den Männern in Dystrans Gemächern ließen Erschöpfung und Furcht auch seine Stimme und seinen Körper zittern.
»Könnt Ihr mich aufklären?«
»Euer Magier Bynaar war ein scharfsinniger Forscher. Arteche spricht in Werken, die uns wichtig sind … nein, die uns wichtig waren, voller Hochachtung über ihn.«
Vuldaroq schwenkte das Papier hin und her. Es war ein kleiner, schwerer, an den Rändern zerfetzter Stapel von Pergamenten. Dystran schätzte, dass es ein Dutzend Seiten waren, kaum mehr.
»Fahrt fort.«
»Vor einigen Jahrhunderten hat er versucht, die Veränderungen in der Mana-Dichte zu bestimmen. In diesem Papier stellt er eine Verbindung zu den Bewegungen der Dämonen von einem Raum zu einem anderen her. Ich unterstelle jetzt mal, dass unser Wissen über Eure Verbindungen zur Dimension der Dämonen den Tatsachen entspricht.«
Dystran hustete. »Wenn die Einschätzungen unserer Spione zutreffen, dann habt Ihr gute Arbeit geleistet.«
»Normalerweise würde ich mich geschmeichelt fühlen«, sagte Vuldaroq. »Das ist mir jetzt aber zu anstrengend.« Er räusperte sich. »Bynaar war der Erste, der eine Theorie darüber formuliert hat, dass die Dämonen ein Nomadenvolk sind. Sie laugen ihre Heimat aus, ziehen weiter und erobern die nächste Welt.«
»Ich bin ein Experte auf diesem Gebiet«, sagte Dystran unbedacht.
»Dann wisst Ihr sicher, dass Bynaar den Weg der Dämonen im interdimensionalen Raum mithilfe der Dichte und der Schwankungen im Mana nachzeichnen konnte.
Dabei war vor allem das Verschwinden von Manawolken wichtig. Seiner Ansicht nach lag dies daran, dass die Wolken in andere Dimensionen übergegangen sind.«
Dystrans Lächeln war etwas gezwungen. »Man kann nicht alles wissen.«
»Dann erfahrt Ihr es eben jetzt. Es ist keine Lösung, aber es beantwortet die Frage, was die Dämonen tun.«
»Nämlich?«
»Bynaar meint, für die Dämonen sei das Mana ein bewegliches Gut, das auf sie eine Art Anziehungskraft ausübt. Auf diese Weise bewegen sie sich. Sie setzen gewissermaßen an beiden Enden eines Weges Dämonen fest und schicken das Mana auf diesem Weg hin und her. Je mehr Mana sie haben, desto stärker werden sie. Es ist fast ein Gebrauchsartikel für sie, und deshalb sind sie so scharf darauf, nach Balaia einzudringen. Wir haben viel Mana.
Ich habe das mit Eurem jungen Magier Feiyn besprochen, der so freundlich war, mir einen Abschnitt aus dem Text über Dämonologie vorzulesen, in den Bynaars Text eingefügt worden war. Wollt Ihr so freundlich sein, es zu wiederholen, junger Mann?«
Feiyn warf einen fragenden Blick zu Dystran, der nickte und gleichzeitig mit den Achseln zuckte.
»Es heißt dort, die Dämonen seien zu einem nomadischen Dasein gezwungen, weil sie jede Dimension auszehren, die sie bewohnen. Es heißt weiter, dass sie immer die vorherige Dimension zerstören, sobald sie Zugang zu einer neuen haben. Dann ziehen sie weiter. Alle.«
»Und sie schicken das Mana, das sie angesammelt haben, zu ihrer Vorhut voraus«, fügte Vuldaroq hinzu.
»Dann ziehen sie nicht einfach hier durch«, sagte Dystran. »Sie wollen sich hier einnisten.«
Im Grunde wusste er es längst.
»Genau. Ich fürchte, wir sind jetzt ihre Heimat«, bestätigte Vuldaroq.
»Und die Zunahme des Mana?«
»Ihr müsst genaue Messungen vornehmen«, sagte Vuldaroq. »Aber ich würde alles verwetten, was ich noch habe, dass sie, wenn der Zustrom beendet ist, stark genug sind, um die Kalträume aufzubrechen. Das erklärt, warum sie uns einfach lassen, wo wir sind – die stärkeren Kollegien, meine ich. Wir spüren alle die Kälte, die das Mana mit sich bringt. Die Kälte passt nicht zur Jahreszeit, und es wird schlimmer.«
Dystran dachte einen Moment darüber nach, verschiedene Gefühle rangen miteinander. Der erste Impuls war, die Ideen des Dordovaners einfach deshalb zurückzuweisen, weil er aus Dordover kam. Das war allerdings eine Haltung, die so langsam als überholt betrachtet werden musste, wenn sie nicht alle vor die Hunde gehen wollten. Vuldaroq hatte beschrieben, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten, auch wenn der genaue Zeitpunkt unbekannt war. Der Weg, so schwierig er auch sein mochte, war klar.
»Zwei Dinge müssen wir tun«, entschied er. »Erstens müssen wir erfahren, wann die Mana-Dichte in unserer Dimension so groß ist, dass die Dämonen unsere Abwehr brechen können. Zweitens brauchen wir eine von allen vier Kollegien getragene
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