Die Legenden des Raben 06 - Heldensturz
abgeschirmt haben?«
Hiela betrachtete sie nacheinander und wartete, dass einer das Wort ergriffe. Er kratzte sich am Bart, den er noch immer gern trug. Es war eine Erinnerung an seine widerwillige Achtung vor den alten julatsanischen Magiern. Das waren noch Menschen und Elfen gewesen, die Kampfgeist und Stärke besessen hatten. Sie zu brechen, war eine Herausforderung gewesen.
»Das ist eben ihre Art«, erwiderte einer. »In schwierigen Zeiten tun sie sich zusammen, weil sie glauben, gemeinsam könnten sie am ehesten überleben.«
»Hm.« Hiela nickte. »Aber das ist noch nicht alles, oder? Der Rabe ist jetzt bei ihnen. Den Rabenkriegern geht es nicht darum, möglichst lange zu leben. Es sind Männer, die siegen wollen, und die nur dort auftauchen, wo sie glauben, dass eine Siegeschance besteht.«
Schweigen.
»Ihr Idioten. Begehrt ihr nicht gerade deshalb ihre Seelen? Faszinieren sie euch nicht deshalb mehr als ein Magier oder ein Elf? In ihnen brennt eine so starke Lebenskraft, dass wir sie kaum berühren können. Glaubt ihr wirklich, diese Krieger würden hoffnungslose Verteidiger unterstützen?«
»Nicht einmal sie können etwas tun«, widersprach ein anderer. »Wir werden siegen. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
»Selbst in einem Moment, in dem unsere Stärke den Höhepunkt erreicht, drohen noch Gefahren«, warnte Hiela und wechselte zu einem etwas helleren Blau. »Ohne nachzudenken schluckt ihr, was eure Meister euch sagen. Sie hatten im Gegensatz zu mir noch nicht mit diesen Leuten zu tun. Was sie tun, das tun sie nicht aus einer Laune heraus. Es dient immer einem Zweck.«
»Aber es ist doch nur eine …«
Hiela fuhr herum und schwebte in ihre Mitte, um den Geist mit den langen Fingern zu betrachten, der die Bemerkung gemacht hatte. Er legte eine dramatische Pause ein.
»Ja«, sagte er schließlich. »Könnt ihr euch vorstellen, warum die Julatsaner ihr Kolleg verlassen haben? Den einzigen Ort, an dem unser Sieg in Frage stand? Warum sie zum Zentrum der Dimensionsforschung reisen, wo das größte Verständnis für unser Volk konzentriert ist? Und warum beschränken sich die Wesmen aufs Beobachten? Warum sind sie überhaupt hier?«
Wind wehte über das offene Land und brachte willkommene Kühlung, auch wenn die Versammelten kaum darauf achteten. Hiela drehte sich in der Luft um sich selbst und vergewisserte sich, ob alle ihn hören konnten.
»Da draußen kommen Kämpfer, die fähig sind, uns zu besiegen, falls sie die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Wir müssen annehmen, dass sie genau deshalb nach Xetesk reisen. Außerdem solltet ihr davon ausgehen, dass wir uns aus genau diesem Grund hier versammelt haben. Sie dürfen die Mauern des Kollegs nicht erreichen. Sie sollen nicht erbitten, was sie brauchen, ganz zu schweigen davon,
es auch zu bekommen. In dieser Schlacht geht es nicht darum, die Willenskraft der Gegner zu brechen und die Seelen aufzunehmen, die zu uns kommen. Ich erteile den Befehl, die Ziele zu vernichten. Wir haben hier alles, was wir brauchen. Kümmert euch nicht um den süßen Geschmack. Wir müssen töten, was wir nicht zum Leben benötigen. Allein darauf müssen wir uns konzentrieren. Wie ist die Lage im Süden und im Kolleg von Lystern?«
»In beiden Gegenden erlahmt der Widerstand, ist aber noch nicht gebrochen. Es sind entschlossene Menschen«, berichtete Drenoul, der Meister der xeteskianischen Front.
»Das sind sie, aber es muss nun ein Ende haben. Ich weiß, dass deine Kommandanten die Seelen der Menschen dort drinnen haben wollen, aber wir brauchen ihre Kräfte hier draußen, damit die Wesmen uns nicht stören, wenn wir es mit Julatsa und Xetesk gleichzeitig zu tun bekommen. Befehle ihnen, alle zu vernichten, die sich nicht beugen wollen, und mit höchster Geschwindigkeit hierher zu reisen. Es wird Zeit, die Zerstörer einzusetzen.«
»Die sind sicher noch zu schwach. Die Mana-Dichte ist noch nicht hoch genug«, wandte Drenoul ein.
»Das wird sich sehr bald ändern, und es sind sehr viele«, entschied Hiela. »Rufe die Karron.«
Die Bösartigkeit löste Panik aus. Die anderen hatten sich weit entfernt vom Impuls reinen Hasses gesammelt, der sich rasch ausbreitete. Als hätte jemand an die Tür ihrer Welt gepocht. Das Klopfen wurde lauter und lauter. Er hatte mit dem Gedanken gerungen, ob es eine Kraft gäbe, die ihnen Böses wollte. Dann war er zu einem Ort gereist, wo das Böse stark gewesen und eine wollüstige Begierde über ihn hereingebrochen
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