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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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versuchte hindurchzusehen, als ob ich in die Wände dahinter blicken könnte.
    Im längsten Gang des Labyrinths – ausgenommen den mit dem Wasser und den Knochen – befand sich ein gewaltiges Obsidianstück, das von massiven Felsadern durchzogen war. Es begann ein Stück über dem Boden und reichte in unförmiger Trapezgestalt bis über meinen Kopf. Ich strich mit den Händen darüber und dachte an die hundert und aberhundert Anhänger, Ohrringe, Broschen und Speerspitzen, die man daraus hätte anfertigen können.
    Ich stand dort vor dem Obsidian, als die Panik einsetzte. Die Wände drängten auf mich ein, und Wasser sickerte aus ihnen hervor. Die Flamme meiner Lampe flackerte, und ich erinnerte mich daran, dass Zeit vergangen war. Pol hatte gesagt, es wäre Öl für sechs Stunden da … Aber ich war lange Zeit bei Streichholzlicht umhergewandelt … und ein Teil des Öls war aus der Lampe geflossen, als ich sie hatte fallen lassen. Wie viel Zeit hatte ich noch? Wie viel Öl? Ich schwenkte die Lampe hin und her, während meine Füße sich aus eigenem Antrieb auf die Tür des Labyrinths zuzubewegen begannen. Ich achtete darauf, mich in Richtung des echten Ausgangs zu wenden. Ein nachlässiger oder verängstigter Dieb mochte die eine Tür für die andere halten und seinen Fehler erst bemerken, wenn er gefangen war – aber so unachtsam würde ich nicht sein.
    Die Panik steigerte sich. Vor der ersten verschlossenen Tür fielen mir meine Werkzeuge aus der Lederhülle. Die Dietriche, die Ahle, die Stiftsperren – alles purzelte auf den Steinboden, und ich musste mich hinknien, um es wieder einzusammeln. Meine Hände zitterten. Ich hätte beinahe alles noch einmal fallen lassen, bevor es mir gelang, das Schloss zu öffnen. Ich trat durch die Tür in eine Pfütze, die nicht von dem abfließenden Wasser zurückgelassen worden war. Sie war das erste Anzeichen für die Rückkehr des Aracthus.
    Keuchend vor Hast eilte ich zur nächsten Tür und vergaß meine Lampe. Ich kehrte zurück, um die Lampe zu holen, und wandte mich dann wieder dem Ausgang zu. Die Tür war irgendwann im Laufe der Nacht zugefallen und hatte meinen Schuh vor sich hergeschoben. Wasser strömte durch das Gitter an ihrem unteren Ende und floss auf mich zu. In fliegender Hast knackte ich das Schloss. Als es nachgab, flog die Tür auf – ich hätte sie fast ins Gesicht bekommen –, und das Wasser hinter ihr brandete herein und stieß mich zurück. Ich ruderte mit den Armen, um die Balance zu halten, ließ das Stemmeisen fallen und gab es verloren. Ich watete stromaufwärts zu der verriegelten Steintür zwischen mir und dem Vorzimmer des Labyrinths, wo das Wasser durch die Decke strömte. Wellen schwappten in der winzigen Kammer. Ich hob den Riegel der Tür an und öffnete sie, tastete mich dann an der Wand des Vorraums entlang und die Treppe hinab. Das Wasser war immer noch erst fünf oder sechs Zoll hoch, aber es staute sich an der Tür am unteren Ende, wo sein Weg sich auf die dünnen Schlitze beschränkte. Mit der Kraft, die einem schiere Angst verleiht, riss ich die Tür gegen die Kraft des Wassers auf; dann sausten sowohl das Wasser als auch ich über die Schwelle. Die Tür schlug hinter mir mit solcher Wucht zu, dass sie Knochen hätte zermalmen können.
    Ich landete auf Händen und Knien im Teich und rappelte mich triefend und prustend hoch. Ich kam mir wie ein Dummkopf vor. Die Panik war verflogen. Das Labyrinth hinter mir würde noch stundenlang nicht vollgelaufen sein. In sechs Zoll tiefem Wasser hätte ich wohl kaum ertrinken können.
    Als ich zum Ufer watete, konnte ich mir leicht vorstellen, wie unwürdig meine Ankunft im Teich vom Flussufer aus gewirkt haben musste. Es stand noch keine Sonne am Himmel, aber die Welt war zwielichtgrau. In einer Stunde würde es dämmern.
    »Hast du sie?«, fragte der Magus vom Ufer.
    »Nein.« Ich platschte mürrisch und verlegen auf ihn zu. »Ich konnte sie nicht finden. Ich konnte nichts finden.« Nichts bis auf riesige Obsidianbrocken. »Es gibt keinen Naos, keinen Altar, keine Schatzkammer.« Ich erzählte ihm von dem Labyrinth, während ich das sandige Ufer hinauf aus dem Wasser kletterte. »Es ist nicht sehr groß.« Er streckte die Hand aus, um mir zu helfen, packte mich erst oberhalb des Handgelenks und dann hinter dem Ellbogen.
    »Es bleiben immer noch zwei Nächte«, sagte er optimistisch. »Komm, iss etwas zum Frühstück.«
    Wir weckten Pol, der uns Frühstück machte. Er hatte in seinem

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