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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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angeekelt eine Grimasse. Sie waren kalt. Ich hob den Riegel der inneren Tür an und betrat das Labyrinth. Zu dem Zeitpunkt, als ich die Schlösser der Metalltür öffnete, hatte meine Körperwärme die Schuhe an meinen Füßen bereits erwärmt, und ich hatte sie vergessen.
    Schlösser sind nicht schwierig zu öffnen. Sie funktionieren alle nach demselben Prinzip: Kleine Stifte halten das Schloss in einer Position geschlossen, in der anderen geöffnet. Je mehr Stifte vorhanden sind, desto teurer ist das Schloss, aber wenn ein Dieb ein Schloss mit vier Stiften öffnen kann, kann er fast genauso mühelos eines mit sechs, acht oder zwölf Stiften aufbrechen. Er benutzt einfach einen längeren Dietrich mit verstellbaren Bolzen, um die Stifte zu bewegen.
    Wenn man etwas sichern will, dann rate ich dazu, einen Wächter anzuheuern – zumindest, bis jemand ein besseres Schloss erfindet. Oder den Schatz dort zu verstecken, wo niemand ihn findet. Das tun die meisten Leute. In der Lage zu sein, Wertsachen in Kästchen zu finden, die hinter Bettrahmen versteckt sind, und sich durch ein Gebäude zu bewegen, ohne dass jemand etwas bemerkt, sind wichtigere Fähigkeiten für einen Dieb, als Schlösser öffnen zu können. Das und Schwindelfreiheit. Gewöhnlich versteckt nämlich niemand seine Smaragdohrringe im Keller.
    Ich hielt beide Metalltüren mit Steinen auf, die ich vom Flussufer mitgebracht hatte, und ging durchs Labyrinth zu dem Teich voller Knochen. Ich stand eine Weile davor und sah ihn mir an, während das Licht der Lampe vom dunklen Wasser widergespiegelt wurde. Dies war der einzige Ort im Labyrinth, der vielleicht Hamiathes’ Gabe enthalten mochte, und ich wollte nicht gern nachsehen. Ich ging einige Male am Teich auf und ab, bevor ich an einem Ende begann und die Finger wie eine Harke durch das kalte Wasser gleiten ließ. Ich wirbelte Schlick und Knochen auf. Ich fand zwei Ringe, Goldknöpfe, Silberknöpfe, Messingknöpfe, Fibeln, Broschen. Die Diebe, die sich an diesen Ort vorgewagt hatten, waren ein wohlhabendes Völkchen gewesen, aber keiner von ihnen hatte gefunden, was er hier gesucht hatte. Die Broschen waren mit Lapislazuli, Obsidian und einer Reihe anderer Steine verziert, aber keiner von ihnen war Hamiathes’ Gabe. In einen der Ringe war ein großer, grüner Smaragd gefasst, in den etwas eingraviert war, das ich im schwachen Licht nicht erkennen konnte. Er war zu groß für meinen Finger. Ich schob ihn mir über den Daumen. Die übrigen Gegenstände, die ich gefunden hatte, schaufelte ich zurück in den Teich, als Opfergaben für die Götter.
    Ich verließ den Gang und ging an die ermüdende Aufgabe, das Labyrinth mit der Schnur zu vermessen, die Pol mir gegeben hatte. Es dauerte die ganze Nacht. Ich wurde gerade damit fertig, als die Panik zurückkehrte. Ich rollte das Seil mit zitternden Händen wieder auf und eilte zum Ausgang des Labyrinths. Zu dem Zeitpunkt, als ich die Türen erreichte, rannte ich bereits und prallte beinahe gegen die erste Tür. Sie war verschlossen. Meine Steinsperre war nicht mehr an Ort und Stelle, obwohl ich sie sorgfältig platziert und so fest verkeilt hatte, dass sie gegen den zurückkehrenden Aracthus standhalten würde. Ich tastete nach meinem Werkzeug und schloss die Tür auf. Als ich zur nächsten aufbrach, die ebenfalls geschlossen war, stieß ich mit dem Fuß gegen den Steinklotz, der dort lag, wohin ihn die zufallende Tür geschoben hatte. Mein anderer Fuß traf auf das Stemmeisen, das ich vergessen hatte, nachdem es mir in der vergangenen Nacht heruntergefallen war. Dieser zweite Aufprall war schmerzhafter, aber ich blieb nicht stehen, sondern hinkte zur entfernteren Tür, so schnell ich konnte, hindurch und aus dem Labyrinth hinaus. Ich kam vielleicht ein wenig würdevoller ins Freie als am Vortag, aber nicht viel. Der Magus wartete auf mich.
    »Glück gehabt?«, fragte er.
    »Gar keines«, sagte ich.
    »Verdammt. Was hast du die ganze Nacht lang getan?«
    »Ich bin über Stemmeisen gestolpert«, erwiderte ich. »Wo ist mein Frühstück?«
    Nachdem ich gegessen hatte, fragte ich den Magus, ob er etwas Papier hätte. Ich wusste, dass er ein Tagebuch hatte, in dem er einen Bericht über unsere Reise festhielt.
    »Möchtest du etwa einen Brief an deine Liebste schreiben?« , fragte er.
    »Was bringt Euch auf den Gedanken, dass meine Liebste lesen kann? Nun haltet den Mund und bringt mir ein Stück Papier.«
    Der Magus lachte und raffte sich auf, zu seinem Rucksack zu

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