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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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gehen, der neben seinem Bettzeug lag. Er riss ein Blatt hinten aus seinem Tagebuch und schwenkte es mit großer Geste vor mir. »Ich höre und gehorche«, sagte er, »was mehr ist, als du je getan hast.«
    Ich riss ihm das Papier aus den Händen und sah, dass Sophos uns verblüfft anstarrte. »Was gibt es da zu gucken?«, fragte ich ihn.
    »Nichts«, antwortete er.
    »Er ist nur überrascht über meine gute Laune, Gen«, erklärte der Magus, »und darüber, dass ich mich bereitwillig deinen bärbeißigen Bitten beuge.« Zu Sophos sagte er: »Ich habe höchsten Respekt vor Handwerkern, und was, wenn nicht das, ist Gen? Wenn er allerdings Hamiathes’ Gabe heute Nacht nicht mitbringt, können wir alle drei hier genauso gut ertrinken, statt zurückzukehren und dem König zu erzählen, dass wir versagt haben.«
    »Ihr alle drei?«, fragte ich spitz. »Und ich? Was geschieht mit mir?«
    »Oh«, sagte der Magus und winkte mit einer Hand ab, »du würdest im Labyrinth ertrinken.«
    Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich wandte mich wortlos dem Papier in meiner Hand zu. Mit einem verkohlten Stock aus der Feuerstelle zeichnete ich die Maße auf, die ich mir gemerkt hatte. Das Labyrinth nahm unter meinen Händen Gestalt an, während der Magus mir stumm über die Schulter sah.
    »Was ist das?« Er wies mit dem Finger auf einen dunklen Fleck.
    »Ein Fehler«, antwortete ich. »Ich verwechsle immer wieder die Abmessungen. Aber das große Obsidianstück, von dem ich Euch erzählt habe, ist genau hier.« Ich markierte die Stelle mit einem weiteren Fleck.
    »Wenn ich hier wäre, um reich zu werden, wäre ich ein glücklicher Mann. Wie lang ist die Schnur?«, fragte er nach einer Pause.
    »Etwa dreißig Fuß«, erklärte ich ihm.
    »Genau dreißig«, warf Pol ein.
    »Also wäre diese Fläche hier« – der Magus legte die Fingerspitze auf die Seite – »etwa acht mal sechs Fuß groß?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich.
    »Meinst du, dass es einen versteckten Raum gibt?«
    »Ich weiß es nicht. Jede Wand ist zwei bis drei Fuß dick. Es könnte überall einen verborgenen Aufbewahrungsort geben. Und dann sind da noch die Außenwände des Labyrinths. Ein geheimer Zugang könnte in einen Tunnel führen, der eine Meile lang ist. Ich weiß es einfach nicht.«
    »Hast du die Wände überprüft?«
    »Jeden Zoll«, erwiderte ich frustriert.
    Der Magus drückte mir die Schulter. »Wenn es eine Tür gäbe, würdest du sie finden, Gen«, sagte er, und ich zuckte die Achseln. Ich war pessimistisch, was die Möglichkeit betraf, etwas in den zerklüfteten Wänden des Labyrinths zu finden. Es gab keine Tür, da war ich mir sicher.
    »Hast du bei den Knochen gesucht?«, fragte er leise. Er hatte es in der Nacht zuvor nicht vorgeschlagen, obwohl die Notwendigkeit für uns beide offensichtlich gewesen war.
    »Ja.«
    »Irgendetwas gefunden?«
    Ich sah auf den Ring hinab, der immer noch an meinem linken Daumen hing. Der Magus schaute ebenfalls hin und pfiff. Im Sonnenlicht konnte ich sehen, dass der Smaragd nicht makellos war, sondern auf einer Seite milchig-weiß. Das Siegel, das darin eingraviert war, zeigte einen gekrümmten Fisch, vielleicht auch einen Delphin. Der weiße Makel war eine anbrandende Welle.
    Der Magus beugte sich über mich, um mir den Ring vom Daumen zu nehmen. »Die Inschrift auf dem Ring ist im alten Stil gehalten, aus der Zeit vor den Eroberern. Wer auch immer ihn hier getragen hat, muss ihn seit vielen Generationen in der Familie gehabt haben.«
    »Oder hat ihn hier vor langer, langer Zeit verloren.«
    Der Magus pflichtete mir bei. »Oder das. Ich lege ihn in meine Tasche, damit er nicht verloren geht.«
    »Das tut Ihr nicht«, sagte ich. Der Ring gehörte nicht in eine Tasche, sondern an einen Finger. Meinen Finger.
    Der Magus sah auf mich herab, und ich begann, mich zu erheben. Auch Pol stand auf.
    »Wenn Ihr einen Siegelring wollt«, sagte ich lauter, als es meine Absicht gewesen war, »dann geht Euch selbst einen holen.«
    »Nun gut.« Der Magus kapitulierte lächelnd und reichte mir den Ring zurück. »Grabräuber.«
    Ich lachte darüber. »Ich versuche gerade, den Tempel eines Gottes auszurauben – und Ihr glaubt, dass ich mir um die Geister einiger toter Menschen Sorgen machen sollte?« Ich schob mir den Ring wieder auf den Daumen und legte mich hin. Mit dem Bild des Labyrinths im Kopf schlief ich ein.
    Und träumte erneut. Im Vorraum rief mich die Frau in Weiß beim Namen. Natürlich hatte sie meinen Namen

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