Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
Vom Netzwerk:
hoffte, mich mitreißen zu können. Er strömte ruhig zwischen seinen Ufern dahin und schien bereit zu sein, trotz des Verlusts von Hamiathes’ Gabe Frieden zu schließen. Zumindest dachte ich das, als ich die Augen aufschlug. Im nächsten Moment stellte ich mir schon vernünftigere Fragen. Hatte ich in der vergangenen Nacht im letzten Augenblick versucht, aus dem Labyrinth zu entkommen, und war dem Fluss in die Falle gegangen, so dass ich mir alles andere nur eingebildet hatte – die Obsidiantür, die Götter, Hephestia und Hamiathes’ Gabe?
    Alles in allem hätte das eine durchaus wahrscheinliche Phantasievorstellung sein können, die gut zu meinen Träumen im Laufe der vergangenen Woche passte. Ich fragte mich, ob ich mir auch den Stoff von Oceanus’ Gewand und die Art, wie er sich angefühlt hatte, hätte einbilden können: erst kühl wie Satin, dann weich wie Samt. Meine Fingerspitzen streiften einander bei der Erinnerung, und ich sah auf sie hinab, um nachzuschauen, was ich in der Hand hielt. Nach der Nacht im Fluss lag auf meiner Handfläche immer noch der armselige, schlichte, grau-weiß gefleckte Stein: Hamiathes’ Gabe.
    Ich bedeckte die Hand mit der anderen, schloss die Augen und dankte Hephestia und Eugenides, Oceanus, Moira, Aracthus, jedem Gott und jeder Göttin, auf die ich mich besinnen konnte. Dann zog ich die Füße aus dem Fluss, schleppte mich dorthin, wo der Sand trocken war, und legte mich hin, um noch etwas länger zu schlafen. Dort fanden mich der Magus, Pol und Sophos. Sie hatten die Steintür aus der Klippe im klaren Wasser jenseits des Wasserfalls liegen sehen und waren mit ihrem Gepäck flussabwärts gegangen, um dort vielleicht meinen Leichnam zu finden und ihm ein ehrenvolles Begräbnis zuteilwerden zu lassen, bevor sie sich auf den Heimweg machten. Als ich erwachte, standen sie um mich herum.
    »Nun«, sagte der Magus, als ich mich umdrehte, »das ist doch zumindest eine gute Neuigkeit.« Als ich mich aufsetzte, beugte er sich über mich. »Es erleichtert mein Gewissen beträchtlich, dass du nicht ertrunken bist, Gen.« Er tätschelte mir unbeholfen die Schulter. »Wir sind am Leben, und du bist am Leben, also war diese Expedition zumindest keine solche Katastrophe wie alle früheren. Wenn wir Hamiathes’ Gabe nicht gefunden haben, nun ja – vielleicht hat ein anderer sie vor uns gefunden, oder sie war niemals hier.«
    Ich hatte ihn eigentlich noch ein wenig warten lassen wollen, aber er klang ungewollt so untröstlich, dass ich die Hand umdrehte und die Faust öffnete, damit er die Gabe auf meiner Handfläche ruhen sehen konnte.
    Ihm schienen die Knie weich zu werden, und er hockte sich mit offenem Mund neben mich. Ich lächelte über sein Staunen und mein eigenes Entzücken. Ich war verblüfft, als er mir die Arme um die Schultern legte und mich an sich drückte, als sei ich sein Sohn oder zumindest ein naher Verwandter.
    »Du bist ein Wunder, Gen. Ich werde deinen Namen in eine Stele vor der Basilika meißeln, das verspreche ich.«
    Ich lachte laut auf.
    »Wo war sie?«
    Ich erzählte ihm von der Obsidiantür und der Treppe zum Thronsaal, hielt dann aber inne. Als es an der Zeit gewesen wäre, die Götter zu erwähnen, überging ich sie. Es kam mir nicht richtig vor, bei Tageslicht über sie zu sprechen, noch dazu mit Leuten, die nicht an sie glaubten und vielleicht gelacht hätten. Falls dem Magus etwas auffiel, sagte er nichts dazu.
    »Der Fluss ist über die Ufer getreten, ganz wie du vermutet hast«, erzählte er mir, »und hat unseren alten Lagerplatz am niedrigeren Ufer geradewegs überspült. Also verdanken wir dir nicht nur das hier, sondern auch unser Leben.« Er sah auf den Stein hinab, den er jetzt selbst in der Hand hielt.
    »Ist das wirklich der Stein?«, fragte Sophos. »Woher wisst Ihr das?«
    Der Magus drehte ihn um, so dass er die Schriftzeichen sehen konnte, die dort eingeritzt waren, die vier Symbole von Hephestias altem Namen.
    »Aber das ist bloß ein gewöhnlicher grauer Stein«, sagte Sophos.
    »Hast du Zweifel?«, fragte ich.
    »Nein«, räumte Sophos ein. »Ich verstehe nur nicht, warum ich so sicher bin.«
    »In der Geschichte neulich Nacht«, sagte ich zu Sophos, »soll Hephestia, als sie Hamiathes am Ende belohnte, einen gewöhnlichen Stein aus dem Fluss aufgehoben und ihn ins Wasser der Unsterblichkeit getaucht haben.«
    »Also ist es doch nur ein Stein?«, fragte er.
    »Nicht ganz«, sagte der Magus. »Sieh ihn dir in der Sonne genau an.« Er

Weitere Kostenlose Bücher