Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
die Straße halten würden, und rasten bergab. Am Fuße des Hügels teilte sich die Straße: Ein Teil führte in die Stadt hinein, der andere außen herum. Dort machten wir Halt, um zu lauschen, ob man uns verfolgte, und uns zu orientieren. Die Dunkelheit, die uns vor den Geschossen unserer Feinde bewahrt hatte, war auch für uns trügerisch. Das Pferd wankte unter unserem Gewicht, und mein Vater beugte sich vor, um ihm anerkennend die Schulter zu tätscheln. Die anderen Reiter machten neben uns Halt; die Pferde stampften mit den Hufen und tänzelten. Mehrere Männer beugten sich vor, um die Zügel von reiterlosen Tieren aufzunehmen, deren Besitzer entweder den Armbrustbolzen und Pfeilen oder schon zuvor den Kämpfen im Megaron zum Opfer gefallen waren. Ich zählte ebenso mit den Ohren wie mit den Augen. Nur zehn der fünfzehn Männer, die mein Vater mitgebracht hatte, waren bei uns.
»Conyx ist tot«, sagte eine Stimme im Dunkeln.
»Troyus auch.«
Niemand hatte die anderen fallen sehen. Wenn sie verwundet waren, würde man sie verarzten und, sofern sie wohlhabend waren, irgendwann gegen ein Lösegeld freilassen oder auf andere Weise als Unterpfand einsetzen, falls die Lage sich ungünstig für Hanaktos entwickelte. Wenn sie sich dagegen günstig für Hanaktos entwickelte, würden sie sich irgendwann in der Baracke wiederfinden, die ich verlassen hatte, für Ochto arbeiten und an meiner Stelle Steinmauern bauen.
Unverhofft wirbelte mein Vater im Sattel herum, schwang einen Arm über meinen Kopf und drückte mich in einer festen Umarmung an sich. Seine Arme schlossen sich um mich, und meine um ihn, obwohl es von meiner Seite vielleicht weniger aus Zuneigung geschah als aus dem Grund, dass ich aus dem Gleichgewicht gerissen worden war und in großer Gefahr schwebte, vom Pferd zu fallen. Das geplagte Tier machte unbehaglich einen Schritt zur Seite. Ich verstärkte meinen Griff um meinen Vater ein wenig mehr, schwang mein Bein über die Kruppe und ließ mich zu Boden fallen, als er mich widerstrebend losließ. Mein Vater ergriff meine Hand, als ich hinunterglitt, und hielt sie fest, während er mir ins Gesicht sah und in der Dunkelheit etwas zu erkennen versuchte.
»Ich bringe den Mann um, der das getan hat«, schwor er. »Ich bringe ihn eigenhändig um!«
Ich lachte. Mein Vater konnte ja vielleicht Baron Hanaktos töten, aber ich zweifelte nicht daran, dass der gerissene Sklavenhändler längst verschwunden war.
Kapitel 9
Wir trafen unmittelbar vor der Morgendämmerung im Heerlager ein. Zu Fuß hatte ich mich durch vertraute Felder und Haine getastet und die Männer meines Vaters in einem Katz-und-Maus-Spiel über Hanaktos’ Land geführt. Da unsere Verfolger uns auf der Hauptstraße nicht hatten finden können, hatten sie sich bald zum Megaron zurückgezogen. Als wir so weit entfernt gewesen waren, dass man den Klang der Hufschläge dort nicht mehr hören würde, war ich auf eines der überzähligen Pferde gestiegen, und wir waren ins Binnenland geritten, erst langsam durch die Dunkelheit, dann schneller, nachdem der Mond aufgegangen war.
Als wir abstiegen, wurde ich von den Männern meines Vaters umringt. Dankbar für ihr Entkommen erdrückten sie mich beinahe und klopften mir auf die Schultern, bis ich fast umfiel. Mein Vater riss mich los und zog mich zur offenen Klappe eines gut beleuchteten Zelts. Ich sah die Umrisse eines Mannes, den ich bei allen Lichtverhältnissen erkennen würde, stürzte begeistert auf ihn zu und rief: »Magus, Ihr seid zurück!«
»Ich, zurück?«, sagte er. »Ihr seid derjenige, der …«
Als er innehielt, wusste ich, dass das Licht aus dem Zelt auf mein Gesicht gefallen war.
»Gute Götter über und um uns!«, sagte der Magus und starrte mich an. Als ich meine Größe mit seiner verglich, bemerkte ich, dass wir uns nun geradewegs in die Augen sehen konnten. Ich hatte ihn nicht mehr getroffen, seit ich nach Letnos ins Exil geschickt worden war, und ihm war verboten worden, mir zu schreiben. Alles, was ich von ihm gehört hatte, waren Gerüchte gewesen: erst, dass er ein attolischer Verräter sei, dann, dass er ein eddisischer wäre, was ich als lächerlich abgetan hatte. Ich hatte nie an ihm gezweifelt und von Anfang an den Verdacht gehabt, dass Eugenides bei seinem Verschwinden die Hand im Spiel gehabt haben könnte. Mir war nicht bewusst gewesen, wie sehr ich mich darauf verlassen hatte, dass der Magus alle Probleme von Sounis lösen würde, bis ich bemerkte, dass unsere
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