Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
schlief.
Sounis straffte sich, und als der Kammerherr sich abwandte, schnitt er vor dem Magus eine Grimasse. Diese Kammerherren sollten Gen gegönnt sein! »Sie kamen mir so bekannt vor. Findet Ihr nicht auch? Genau wie …«
»Ja«, antwortete der Magus.
Die Ohren des Kammerherrn waren so gespitzt, dass sie ihm geradezu vom Kopf abstanden, als er sich abmühte, zu hören, wonach die Gemächer des Königs aussahen, aber Sounis ließ den Rest seines Satzes unausgesprochen. Der Magus hatte die Ähnlichkeit der schlichten Wände und Vertäfelungen und des Schreibtisches des Königs mit seinen sorgsam angeordneten Papieren und Federn mit der Bibliothek der Königin von Eddis ebenfalls bemerkt; dort hatte Eugenides gelebt, als er noch ihr Dieb gewesen war.
Als sie wieder in Sounis’ eigenem Schlafzimmer waren und der Kammerherr sich entfernt hatte, sprach Sounis offener. »Ich dachte, er würde mehr wie der Gen sein, den ich kenne, als wir erst allein waren.«
»Ihr wart niemals allein«, sagte der Magus.
»Trotzdem«, brummte Sounis.
»Mein König …«, sagte der Magus zögerlich, und Sounis bedeutete ihm zu sprechen. »Ich glaube, wir müssen von nun an von der Annahme ausgehen, dass Attolis’ Verantwortung als König schwerer wiegt als seine Zuneigung als Mensch. Aber das soll nicht heißen, dass ich an seiner Freundschaft zweifle. Oder dass ich glaube, dass seine Freundschaft unwichtig ist. Im Gegenteil, kein Vertrag, ganz gleich, wie ausgefeilt er formuliert ist, wird ohne sie seine Gültigkeit behalten.«
Sounis warf die Hände in die Luft. »Das sagt ihm «, erwiderte er seufzend.
Wie üblich, wenn Nationen Abmachungen miteinander treffen, kam es auf dem Wege von einer prinzipiellen Einigung zu einer in Worten festgeschriebenen zu einem ständigen Meinungsaustausch. Sounis hatte keine Barone bei sich, die ihn hätten unterstützen können, und so redeten er und der Magus sich bei einem Treffen nach dem anderen heiser. Sie sprachen bis tief in die Nacht miteinander, so dass Sounis begründete Entscheidungen fällen und der Magus Sounis’ Wort am Folgetag bei neuerlichen Sitzungen verkünden konnte. Sounis wurde stets von einem Höfling des Königs von Attolia von Termin zu Termin geleitet. Sie wechselten sich damit ab, sich in seinem Vorzimmer jederzeit mit einer Ehrengarde in Bereitschaft zu halten, um ihn die endlosen Korridore des Palasts von Attolia hinauf- und hinunterzuführen.
Bei den Treffen achtete Sounis darauf, sich auf Äußerungen zu beschränken, die er zuvor mit dem Magus abgesprochen hatte; ihm war durchaus bewusst, dass jedes einzelne Wort ein Glied einer Kette war, die ihn und sein Land an Attolia fesseln würde. Er war entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Abmachungen, die er traf, keine ungeplanten Folgen haben würden und dass die Verbindung zwischen Attolia und Sounis nicht ausschließlich zu Sounis’ Lasten gehen würde.
Nach einem Tag voller Sitzungen ging er abends manchmal im Garten der Königin spazieren, entweder mit dem Königspaar von Attolia und einer Schar anderer oder, weit seltener, mit der Königin von Eddis. Sie war noch nicht in ihre Heimat zurückgekehrt und hatte angekündigt zu bleiben, bis die Verhandlungen abgeschlossen waren.
Der Garten der Königin lag hinter dem Palast. Von einer Mauer abgeschirmt, bildete er eine Miniaturwelt aus Spazierwegen und Zimmern unter freiem Himmel. Es gab Springbrunnen und Spiegelteiche, neben denen Bänke standen und um die sich Rasenflächen dehnten, aber auch kleinere Sitzgelegenheiten, die diskret in Nischen zwischen hohen Hecken eingepasst waren.
Attolia war weiterhin so furchterregend wie stets, kühl und schön, und sagte nie ein unfreundliches, aber auch nie ein freundliches Wort. Sie war eine Informationsquelle, die, soweit Sounis sie jemals ausloten konnte, nie versiegte. Sie sprach freimütig über die Organisation ihrer Armee und den von ihr veranlassten Aufbau einer eigenen Truppengattung für die Artillerie. Sie gab bereitwillig Auskunft darüber, wie sie ihre Kanonen bewegte, wie sie ihre Flotte versorgte und wie sie die zerstörerischen Traditionen der Patronoi umging, indem sie ihre Okloi so gut wie möglich einsetzte, Beförderungen und Landzuteilungen für Veteranen anbot, die zwanzig Jahre gedient hatten, und im Gegenzug dafür ihre unverbrüchliche Loyalität bekam. Dieses Wissen war zu wertvoll, um nicht darüber zu verfügen, und Sounis stählte sich, so oft, wie sie zu antworten bereit war, weitere
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