Die Leibwächterin (German Edition)
Hose gegeben. Sollte ich mir die von Paskewitsch leihen? Der Gedanke, seine Hose auf meiner blanken Haut zu spüren, war abstoßend. Ich zog das Seil straffer um Paskewitsch und fesselte seine Hände mit den Lederbändern, mit denen ich mir die Pistole ans Bein gebunden hatte.
«Ich habe Anita nicht getötet», murmelte Paskewitsch. Zwischen seinen Beinen war ein dunkler Fleck aufgetaucht, der sich langsam auf dem Ledersessel ausbreitete.
«Natürlich nicht du selbst. Aber du hast den Auftrag erteilt. Wem? Trankow?»
«Nein! Mit dem Mord an Anita habe ich nichts zu tun! Ich weiß, dass mich alle verdächtigen, auch die finnische Polizei. Aber ich habe es nicht getan. So lange hält meine Wut nicht vor.»
«Wer war es dann, wenn nicht du?»
Paskewitsch gab keine Antwort. Die Flüssigkeit tropfte bereits aus dem Hosenbein auf den Fußboden. Selbst wenn meine Glock nur eine Spielzeugwaffe gewesen wäre, hätte sie genügt, um Paskewitsch Angst einzujagen. Und dabei hatte ich geglaubt, er sei ein harter Knochen.
«Für wen arbeitest du eigentlich?», fragte Paskewitsch nun seinerseits. «Du bist doch nicht etwa Polizistin? Greift die finnische Polizei zu solchen Mitteln?»
«Ich bin keine Polizistin. Wo steckt Helena Lehmusvuo?»
«Wieso?»
Ich presste die Waffe so fest an Paskewitschs Kopf, dass es wehtun musste.
«Nicht! Ich habe Juri gebeten, sie zu mir zu bringen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.»
«Meinen Informationen nach befindet sie sich hier, in deiner Villa.»
«Kann sein. Juri war heute wieder hinter ihr her, aber ich hatte etwas ganz anderes im Kopf. Meine Geburtstagsfeier.» Er schniefte wie ein Kind, dem der Weihnachtsmann statt Geschenken eine Rute gebracht hat. «Wer bist du eigentlich?»
Ich zog einen Stuhl heran, sodass ich Paskewitsch gegenübersaß, und wickelte mich in die Seidenstola, die auf dem Diwan gelegen hatte.
«Jedenfalls nicht die, die herbestellt wurde. Was soll Trankow mit Helena Lehmusvuo anstellen? Warum hast du sie holen lassen?»
«Ich wollte wissen, wie weit die finnische Regierung über den Verkauf von Hiidenniemi informiert ist.» Der Name Hiidenniemi bereitete ihm Schwierigkeiten, aber ich verstand ihn trotz der seltsamen Aussprache.
«Warum sollte die finnische Regierung darüber informiert sein? Außerdem gehört Frau Lehmusvuo dem Kabinett gar nicht an.»
«Das nicht, aber die Grünen sind an der Regierung beteiligt, und die Lehmusvuo ist in ihrer Partei eine der Russlandexpertinnen.»
«Was hat Hiidenniemi mit Russland zu tun? Das Grundstück hat doch ein finnischer Geschäftsmann gekauft, Usko Syrjänen.»
«Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen. Du weißt genau, wer der wahre Käufer ist. Du arbeitest für ihn, stimmt’s?» Ganz offensichtlich erholte Paskewitsch sich allmählich von dem Überraschungsangriff. Sein Gesicht bekam wieder ein wenig Farbe, und seine Stirn war nicht mehr schweißnass.
Am wichtigsten war natürlich, mich zu vergewissern, dass Helena unversehrt war. Um Paskewitsch daran zu hindern, seine Hilfskräfte zu alarmieren, würde ich ihn k. o. schlagen müssen. Töten wollte ich nur im äußersten Notfall. Ich hätte ihn auch zwingen können, mit mir zur Sauna zu gehen, doch das erschien mir zu riskant.
«Wie lautet Trankows Telefonnummer?»
«Trankows … Die weiß ich nicht auswendig. Auf meinem Handy ist es die Eins. Sami hat Nummer zwei. Gib es mir, dann rufe ich ihn an!»
Ich nahm das Handy und schaltete es ein. Dann fragte ich Paskewitsch nach dem Pin-Code. Da er nicht sofort damit herausrückte, schlug ich ihm den Pistolengriff über den Kopf. Ein hässliches Krachen war zu hören, und die Haut platzte auf.
«Beim nächsten Mal schieße ich. Ich fange mit den Zehen an. Der Pin-Code?»
Nun nannte Paskewitsch bereitwillig die Ziffern: 9876, nicht gerade einfallsreich. Trankow war offenbar kein großartiger Sicherheitsexperte, sonst hätte er seinem Boss gesagt, dass man keine derart simplen Kombinationen verwenden durfte.
«Okay. Ich halte dir das Handy ans Ohr, aber vergiss nicht, dass sich die Pistole gleich daneben befindet. Du rufst Trankow an und fragst, ob Helena Lehmusvuo bei ihm ist. Sprecht englisch, damit ich alles verstehe.» Ich schaltete die Lautsprecherfunktion ein.
«Aber wir sprechen immer russisch miteinander!»
«Diesmal nicht. Und versuch gar nicht erst, ihn zu warnen, meine Waffe geht leicht los. Du kriegst mindestens so viele Schüsse in den Leib wie Anita Nuutinen.»
«Aber ich …»
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