Die Leibwächterin (German Edition)
mir zu erzählen, was sie über die Verbindungen zwischen Boris Wasiljew und Usko Syrjänen wusste. Wozu brauchte Wasiljew so ein Stück Land wie Hiidenniemi? Paskewitsch hatte nicht gewagt, Hauptmeister Laitio von Wasiljew zu erzählen. Aber ich würde es tun.
Ich schaltete meinen Computer ein und notierte mir, was ich erfahren hatte. Reiskas schmales Bett lockte. Obwohl es nicht bezogen war, kam es mir vor wie der herrlichste Ort auf Erden. Also schaltete ich die Alarmanlage an und ging schlafen.
Gegen Mittag weckte mich das Telefon. Die Fraktionssekretärin wollte wissen, wie es Helena ging. Ich antwortete, sie sei immer noch krank. Die Sekretärin wünschte gute Besserung und fügte lachend hinzu, der größte Teil der Fraktion sei angeschlagen, denn der Wahlsieg sei ausgiebig gefeiert worden. Ich las die Zeitung genau durch, suchte nach einer Nachricht über den Verkehrsunfall, den ich gesehen hatte. Wie war es Sarita ergangen? In dem heftigen Regen waren mehrere Wagen von der Straße abgekommen, der Unfall in Karjaa wurde nur kurz erwähnt: Die Fahrerin, eine junge Frau, war schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt. Eigentlich hätte ich ihr Blumen schicken müssen, denn sie hatte mir die Arbeit erheblich erleichtert.
Ich kochte eine Kanne starken Kaffee und briet Spiegeleier. Da Helena in der Nacht ihren Mageninhalt von sich gegeben hatte, würde sie garantiert hungrig sein. Ich spähte in ihr Zimmer; sie schlief immer noch. Die Haare standen ihr vom Kopf ab wie das Fell eines Trolls, ihr Gesicht war schmal und blass, sie sah sehr verletzlich aus. Paskewitsch würde ihr nicht mehr auf den Leib rücken, aber was war mit Wasiljew? Offenbar kämpfte sie gegen viel zu starke Gegner. Mir kam Marina Andrejewna Mihailowa in den Sinn, die noch kleiner und zerbrechlicher war. Ich wollte beide schützen. Es war ein Fehler gewesen, Helena nach Hause zu fahren, ich hätte sie an einen sicheren Ort bringen sollen, wo niemand nach ihr suchen würde. Paskewitsch glaubte, dass Wasiljews Leute Helena mitgenommen hatten, und wenn sie einfach wieder in der Öffentlichkeit auftauchte, als wäre nichts geschehen, würde er wissen, dass man ihn an der Nase herumgeführt hatte. Welcher Arzt wäre wohl bereit, Helena krankzuschreiben? Vermutlich gab es im Parlament einen Betriebsarzt, aber konnte man auf dessen Verschwiegenheit rechnen? Ich selbst ging Ärzten möglichst aus dem Weg.
Ich musste allein frühstücken. Gegen eins sah ich erneut nach Helena, die nun immerhin die Augen öffnete. Darunter lagen schwarze Schatten. Sie sah aus, als wäre sie geschlagen worden. Ich zog die Jalousie hoch. Es regnete nicht mehr, die Wolkendecke riss stellenweise auf.
«Wie geht es dir?»
«Der Kopf tut mir weh. Was ist passiert? Was haben die mit mir gemacht? Bin ich etwa … vergewaltigt worden?» Blankes Entsetzen lag auf Helenas Gesicht. Es fiel mir nicht schwer, sie zu verstehen, ich musste nur an mein Erwachen in Moskau zurückdenken. Paskewitschs Bericht hatte meine Gewissheit verstärkt, dass nicht ich auf Anita geschossen hatte, doch meine Schuld wurde dadurch nicht völlig getilgt.
«Nein, das glaube ich nicht, denn bis auf den Mantel warst du voll bekleidet, als ich dich fand. Nach unserer Rückkehr warst du unter der Dusche, und dabei habe ich keine Blutergüsse oder andere Hinweise auf eine Vergewaltigung gesehen. Oder hast du irgendeine Erinnerung daran, dass man dir etwas angetan hat?»
«Nein.» Helena setzte sich vorsichtig auf. «Das Zimmer schwankt.»
«Ist dir übel? Soll ich dich zur Toilette bringen?»
«Nein. Mir ist nur schwindlig … und ich habe Durst.»
«Auf dem Nachttisch steht ein Glas Wasser, und in der Küche gibt es etwas zu essen. Steh vorsichtig auf, nicht zu schnell.»
Sie gehorchte. Ich reichte ihr Hausschuhe und Bademantel und ging dicht hinter ihr die Treppe hinunter, bereit, sie aufzufangen, falls sie umkippte. In der Küche briet ich weitere Spiegeleier und presste einige Orangen aus.
«Woran erinnerst du dich?», fragte ich, als Helena die zweite Tasse Kaffee trank und ihr Gesicht endlich wieder Farbe bekam.
«Es sind nur einzelne Erinnerungsfetzen. Ich bin nach Hause gekommen, um mich umzuziehen, der Bus fuhr gerade zur richtigen Zeit. Nimm es mir nicht übel, aber ich wollte einfach eine Weile allein sein. Das war mir in letzter Zeit selten vergönnt. Na ja, es hat sich ja auch prompt gerächt. Als ich aus dem Haus kam, regnete es ganz fürchterlich, und ich habe überlegt, ob ich
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