Die Leibwächterin (German Edition)
gerichtet hielt. Als ich die Tür aufriss, warf ich einen raschen Blick auf das Schloss. Verdammt, es war nur von innen zu verriegeln. Und die Küche? Sie grenzte an den Garten, es war also nutzlos, Paskewitsch und Trankow dort einzusperren.
Doch für solche Überlegungen hatte ich jetzt keine Zeit. Als Trankow mit der immer noch halb bewusstlosen Helena hereinkam, streckte ich ihn mit einem Handkantenschlag nieder, für den ich von Mike Virtue die höchste Punktzahl bekommen hätte. Helena lehnte sich an die Wand und sank dann langsam herab, bis sie auf dem Fußboden saß. Besser so. Obwohl sie intelligent war und von Anfang an gewusst hatte, dass ich sie mit Hilfe des Ortungsgerätes aufspüren konnte, hätte sie in dieser Notlage womöglich durch eine Geste verraten, dass sie mich kannte.
Ich knebelte Paskewitsch mit seiner eigenen Hose. Friss das, du Arschloch, dachte ich. Es würde zwar nicht lange dauern, bis seine Grunzlaute Sami oder die Zofen weckte oder er sich selbst von seinen Fesseln befreien konnte, aber ich hatte Zeit genug, mit Helena zum Wagen zu laufen. Ich trug sie aus dem Zimmer und verbarrikadierte die Tür mit den Sesseln und dem kleinen Tisch, die im Flur standen. Lange würde diese Sperre allerdings nicht halten.
Helena war noch leichter, als ich erwartet hatte. Ich nahm sie auf die Schulter, lief die Treppe zum Bordellzimmer hinauf, legte Helena aufs Bett und zog Chaps und Stiefel aus. Auf das Top verschwendete ich keine Zeit. Ich zog meine eigenen Sachen an, bis auf die Jacke, die ich Helena umlegte, da Trankow ihr den Mantel ausgezogen hatte. Nachdem ich die Reservemagazine in die Hosentasche gesteckt und das Schulterhalfter über den Pullover geschnallt hatte, nahm ich Helena wieder auf die Schulter. Beim Verlassen des Hauses gingen draußen die Lampen an. Spätestens das musste Sami alarmieren. Ich trabte los. Als wir den dunklen Weg erreichten, begann Helena zu würgen. Ich setzte sie ab und hielt sie fest, als sie sich erbrach.
«Bist du es, Hilja? Wo bin ich?»
«In Sicherheit.»
«Wie bin ich hierhergeraten?»
«Das spielt jetzt keine Rolle. Komm, das Auto wartet.» Ich schleifte sie durch den Regen und den Schlamm, der Mietwagen würde nachher fürchterlich aussehen, aber der war letzten Endes nur eine rollende Blechkiste, es war mir egal, ob Helena ihn schmutzig machte oder auf der Fahrt vollkotzte.
Der Wagen sprang brav an und rollte sicher über die regennassen Straßen. Niemand kam uns entgegen, die Welt war leer und verlassen, wie gerade erst geschaffen oder wie tot.
Helena saß schlummernd neben mir, schreckte nur ab und zu hoch, wenn wir über ein Schlagloch oder durch eine Kurve fuhren. Ich konzentrierte mich auf das Fahren, um mich von der niederschmetternden Tatsache abzulenken, die mir die ganze Zeit im Kopf herumspukte.
David Stahl war ein Doppelagent.
David Stahl arbeitete für den Öl-Magnaten Boris Wasiljew.
David Stahl war ein Dreckskerl.
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21
Es war noch dunkel, als Helena und ich in Kirkkonummi ankamen. Die Zeitung lag bereits im Kasten, in der Hauptschlagzeile ging es um den Wahlerfolg der populistischen Rechtspartei. Helena, die während der ganzen Fahrt geschlafen hatte, schaffte es, aus eigener Kraft auszusteigen und ins Haus zu gehen. In der Diele sackte sie jedoch zu Boden. Ihre Kleider rochen nach Erbrochenem. Ich half ihr auf die Beine und brachte sie die Treppe hinauf ins Bad. Dort zog ich sie aus, sie fügte sich wie ein kleines Kind. Ich stopfte die schmutzigen Kleider in die Waschmaschine und duschte Helena ab.
«Soll ich dir auch die Haare waschen?»
«Lass nur. Wo waren wir?»
«In Bromarv, in der Villa von Walentin Paskewitsch. Sein Handlanger Juri Trankow hat dich entführt. Geh ruhig schlafen, wenn dir danach ist. Ich sage im Parlament Bescheid, dass du heute nicht kommst. Habt ihr nicht Fraktionssitzung? Am Nachmittag?»
«Ich erinnere mich nicht. Wo ist denn mein Kommunikator? Da sind alle Termine drauf.»
Wahrscheinlich hatte Trankow das Handy irgendwohin geworfen, wo es nie gefunden würde, in den Straßengraben oder ins Meer. Mein Körper schrie nach Schlaf, aber ich musste noch arbeiten. Ich trocknete Helena ab, zog ihr den wärmsten Schlafanzug an, den ich in ihrem Schrank fand, versuchte, ihr auch die Zähne zu putzen, denn ich wusste, welchen Geschmack man am nächsten Morgen im Mund hatte, wenn man es nach so heftigem Erbrechen nicht tat. Erst wenn sie ausgeschlafen hatte, würde ich sie zwingen,
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